Mühsam, jedoch notwendig
8. September 2024
Ein Rasthaus für Geflüchtete – überall!
»Es wird kein Hotel werden, in dem die Mächtigen ihren Platz haben. Es wird kein Plätzchen im Villenviertel werden. Aber es kann dies sein: Im Süden dieses gastfeindlichen Landes wollen wir – im Dreiländereck – auch etwas anderes bieten: einen Empfangsort für Geflüchtete.« Mit dieser Gründungsidee entstand in Freiburg 1998 das Projekt »rasthaus« als konkrete solidarische Antwort auf die zunehmende ausgrenzende und rassistische Politik gegen Geflüchtete und Migrant:innen. Das rasthaus wurde als Projekt der »Kein Mensch ist illegal«-Bewegung gegründet. Rasthäuser sollten bundesweit in verschiedenen Städten etabliert werden. In der Zwischenzeit bietet das rasthaus in Freiburg seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Ort für Beratung, medizinische Unterstützung, Sprachkurse sowie politische Organisierung und Aktionen.
Aktion Bleiberecht (kurz ABR) ist eine dieser Gruppen, entstanden im Jahr 2005 aus der Notwendigkeit heraus, gegen die diskriminierenden und rassistischen Verhältnisse anzukämpfen. Einer dieser aktuellen Kämpfe ist der Widerstand gegen die Bargeldgrenze und Bezahlkarte, als Instrument der finanziellen Gängelung und des sozialen Ausschlusses von Geflüchteten. Ein anderer Angriffspunkt ist die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg. Wer in Deutschland Asyl beantragt, muss in eine Erstaufnahmeeinrichtung. Teils jahrelang leben Geflüchtete isoliert und ohne Privatsphäre in diesen Camps. Nicht abschließbare Zimmer, Kochverbote, Arbeitsverpflichtungen für 80 Cent pro Stunde und Zimmerkontrollen – das Leben im Camp zermürbt. Aktion Bleiberecht Freiburg gab 2020 ein Rechtsgutachten in Auftrag mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass in der LEA massiv in die Grundrechte von Geflüchteten eingegriffen wird. Im selben Jahr haben sich sechs Geflüchtete gegen diese Entrechtung gewehrt, indem sie gegen die Hausordnung der LEA Freiburg Klage einreichten. Nach einem jahrelangen Gerichtsprozess bis zum Bundesverwaltungsgericht gibt es keine Entscheidung in der Sache. Argumentiert wird, dass die Kläger nicht mehr im Lager leben und damit auch kein Rechtsschutzinteresse mehr hätten. Die meisten Geflüchteten werden aber nach wenigen Monaten aus der LEA verlegt. Hingegen brauchen Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg durchschnittlich fast zwei Jahre bis zu einem Urteil. Damit verhindert das Verwaltungsgericht den effektiven Rechtsschutz. Der politische Kampf ist mühsam, bleibt jedoch notwendig. Denn die Politik hebelte das Grundrecht auf Asyl im Jahr 1993 faktisch aus – als zynische Antwort auf die unzähligen, teils tödlichen rassistischen Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte Anfang der 1990er-Jahre.
Eine andere, solidarische Antwort auf diese nationalistisch-rassistische Politik gaben 70 Personen 1992 in Emmendingen bei Freiburg mit der Gründung des Südbadischen Aktionsbündnisses gegen Abschiebung (kurz SAGA). Seit dieser Zeit arbeitet das antirassistische Bündnis gegen drohende Abschiebungen. Der Widerstand von Geflüchteten gegen das Lagersystem, das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht und Abschiebungen bedeutet häufig im ersten Schritt, für das eigene Bleiberecht zu kämpfen. Um das zu unterstützen, finden Geflüchtete zweimal wöchentlich bei SAGA Antwort auf Fragen rund um Asyl- und Aufenthaltsrecht. Damit leistet SAGA als eine der wenigen bundesweiten ehrenamtlichen und selbstverwalteten Strukturen nun seit mehr als 30 Jahren einen existenziellen Beitrag für das Bleiberecht Geflüchteter. Zwar hat sich SAGA mit seiner Unterstützung für Geflüchtete beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits erfolgreich unbeliebt gemacht, jedoch fehlt es in anderen Städten an Nachahmer:innen. Großer Bedarf besteht aktuell bei der Unterstützung von Untätigkeitsklagen. Viele Geflüchtete, zum Beispiel aus Syrien und Afghanistan, haben aufgrund ihres Herkunftslandes gute Chancen auf einen Aufenthaltstitel, bleiben aufgrund der Untätigkeit der Behörden jedoch über Jahre im Asylprozess stecken. Dadurch leben sie gemäß Asylbewerberleistungsgesetz über Jahre weit unter dem Existenzminimum, auch ein Familiennachzug kann nicht beantragt werden. Ob es Schikane ist oder die Behörden überlastet sind, bleibt offen – jedoch haben in den letzten Monaten viele Geflüchtete erfolgreich gegen die Untätigkeit der Behörden geklagt.
Weitere wichtige Initiativen von und in Solidarität mit Geflüchteten sind das medinetz Freiburg zur medizinischen Unterstützung von Migrant:innen und Menschen ohne Papiere, der Solitopf als Umverteilungsprojekt für Menschen mit Fluchterfahrung, die kostenlosen Deutschkurse sowie »Our Voice« als selbstverwaltete Radiosendung von Geflüchteten. Die Räume im rasthaus werden solidarisch finanziert und stehen auch außerhalb der Nutzungszeiten zur Verfügung, zum Beispiel als Treffpunkt oder Lernort.
Ein Ort für Geflüchtete, wo sie solidarisch empfangen werden und die Möglichkeit zum Rasten finden – solche Orte braucht es mehr denn je und überall!