Bedrohung AfD

geschrieben von Stephan Krull

1. November 2024

Hans-Jürgen Urban für aktiven Kampf gegen Faschisten

Die Rechtsentwicklung ist eine Bedrohung für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Denn Höcke und Co. haben in ihrer autoritären Gesellschaft für die Kolleginnen und Kollegen wegen ihrer integrativen Arbeit, ihrer konträren Position zum Kapital, ihres demokratischen Anspruchs auf Mitbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft keinen Platz vorgesehen. Während in einigen Texten aufgrund der Zustimmung von Arbeiterinnen und Arbeitern zu Faschisten die Frage gestellt wird, ob die AfD die »neue Arbeiterpartei« sei, orientiert Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall mit dem Sammelband »Gute Arbeit gegen Rechts« auf Immunisierung und aktiven Kampf gegen die Faschisten. In einem Geleitwort schreibt Christiane Benner, die Vorsitzende der IG Metall: »Für mich steht fest: Wer die Demokratie stärken will, muss den Beschäftigten Sicherheit im Wandel bieten. Mehr Mitbestimmung und Beteiligung ist das Gebot der Stunde.«

VW-Kurs ist Wasser auf die Mühlen der AfD

Fast 37 Prozent für die AfD in Zwickau und 34 Prozent in Eisenach zeigen, dass dieser Ansatz nicht ausreicht. In den großen Betrieben der Region, bei VW in Zwickau und Opel in Eisenach, gibt es eine aktive Gewerkschaft, gute Löhne, betriebliche Mitbestimmung – andererseits die Unsicherheit der Arbeitsplätze und Abstiegsängste wegen fehlender Industriepolitik und strategischer (Fehl-)Entscheidungen der Eigentümer. VW plant Massenentlassungen und Werksschließungen und konterkariert so die Bemühungen der Gewerkschaften um Sicherheit im Wandel. »Dass jetzt betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen im Raum stehen, ist Wasser auf die Mühlen der AfD«, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Kasseler VW-Werks, Karsten Büchling.1 Gute Arbeit, Mitbestimmung, Beteiligung und soziale Garantien in der Transformation sind notwendige Zutaten im Kampf gegen rechts – aber dieses muss in der täglichen Arbeit erlebt werden. Gute Arbeit ist gesellschaftlich nützlich, ökonomisch und ökologisch nachhaltig, fair entlohnt, kreativ und weitgehend demokratisch organisiert, so gering wie möglich geteilt, so viel wie möglich selbstbestimmt. Zur betrieblichen Mitbestimmung müssen, um die Krise zu lösen, politisches Engagement und überbetrieblich koordinierte soziale und politische Kämpfe hinzukommen.

Hans-Jürgen Urban (Hg.): Gute Arbeit gegen Rechts. Erschienen in der Reihe »Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie«. VSA-Verlag, Hamburg 2024, 136 Seiten, 10 Euro

Hans-Jürgen Urban (Hg.): Gute Arbeit gegen Rechts. Erschienen in der Reihe »Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie«. VSA-Verlag, Hamburg 2024, 136 Seiten, 10 Euro

Urban benennt die kapitalistische Hyperglobalisierung als Ursache für Unsicherheit und Konflikte: »Wie verhindern wir, dass die aggressiven Weltverhältnisse in aggressive Betriebsverhältnisse umschlagen?« und verweist auf die »fundamentale Krise des Kapitalismus«: Die Dekarbonisierung muss vor allem in der industriellen Produktion stattfinden, dort ist sie »mit der Zuspitzung der sozialen Risiken für die abhängig Arbeitenden verbunden«. Urban beschreibt den kapitalistischen Betrieb als vordemokratischen, durch die Eigentümer autoritär bestimmten Raum, in dem Freiheitsrechte und politische Öffentlichkeit fehlen: »Besitz-, Macht- und Anweisungsstrukturen gleichen eher einem institutionellen Absolutismus.« Selbst in sozialpartnerschaftlichen Vorzeigebetrieben haben Belegschaften und Betriebsrat keinen Einfluss auf strategische Entscheidungen. Wenn auch noch der Staat wie ein Unternehmen geführt wird, wenn im Bereich der Daseinsvorsorge nur gespart wird und ein milliardenschweres Rüstungsprogramm aufgelegt wird, wenn Konzerne wie VW, BMW, Mercedes und Intel trotz Dividenden für die Aktionäre Milliarden an Subventionen erhalten, dann führt genau diese Politik zur Zuspitzung der sozialen Risiken.

Das Herzstück des Buchs sind Berichte und protokollierte Gespräche mit Aktiven aus Betrieben und Gewerkschaft. Gemeinsam ist diesen Berichten, dass es um mehr Beteiligung derjenigen gehen muss, die bisher nicht gehört werden. »In Betrieben, in denen Mitbestimmung wirklich gelebt wird, besteht eine gewisse Resilienz gegenüber rechten Haltungen und Positionen.«2 Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus Kassel beschreiben, wie sie mit dezentralen Betriebsversammlungen und aktiven gewerkschaftlichen Vertrauensleuten die Arbeiterinnen und Arbeiter direkter informieren und in Entscheidungen einbeziehen. Sie benennen, wie das Hintertreiben der Transformation durch Manager und Politiker Abstiegsängste schürt. Der Geschäftsführer der IG Metall in Zwickau sagt: »Demokratieerfahrung und Selbstermächtigung – das sind Erfahrungen, die der Rechten zuwiderlaufen«.

Aggressive Weltverhältnisse

Am Wahlverhalten vieler Arbeiterinnen und Arbeiter, an der »Proletarisierung der extremen Rechten« (Ingar Solty) gemessen, steht es um betriebliche Mitbestimmung nicht gut. Und es gibt keine einzelbetrieblichen Möglichkeiten zur Überwindung von Krisen und Abstiegsängsten im Kapitalismus. Die aggressiven Weltverhältnisse schlagen auf die Betriebe durch. Gute Arbeit im traditionellen Sinne reicht sicher nicht aus, und Gewerkschaften sind nicht allein für den Kampf gegen Faschismus zuständig. Das Buch verdient eine breite Leserinnen- und Leserschaft.

1 fr.de/wirtschaft/wasser-auf-die-muehlen-der-afd-93281901.html

2 Chaja Boebel, Seite 92

Stephan Krull ist Mitglied der VVN-BdA und der IG Metall. Viele Jahre war Mitglied des Betriebsrats bei VW in Wolfsburg. Aktuell ist er aktiv im Gesprächskreis »Zukunft Auto Umwelt Mobilität« der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Siehe stephankrull.info