Kampf gegen links
1. November 2024
Faschismus in Lateinamerika: Das »Forum Madrid« als Einheit von Rechten
Nicht erst seit dem faschistischen Putsch in Chile gegen Salvador Allende vom 11. September 1973 ist zu beobachten, dass die extreme Rechte insbesondere in Lateinamerika – zumeist finanziell und politisch unterstützt durch die USA – in Regierungen, im Militär oder in der Opposition zur Bekämpfung aller antikolonialen Bestrebungen, die sich gegen die nordamerikanische oder europäische Dominanz richten, eingesetzt wird. Der Harvard-Historiker Allan E. S. Lumba beschreibt die Funktion des Faschismus mit den Worten: »Der Faschismus ist keine eindeutige Kategorie politischer Ideologie, sondern vielmehr eine historische Reaktion auf die wiederkehrende Bedrohung durch die revolutionäre Entkolonialisierung und die chronische Instabilität eines geopolitischen Systems, das um kapitalistische Imperien herum aufgebaut ist.«
Um solche Bewegungen in gemeinsame Strukturen einzubinden, gibt es – vergleichbar mit den Vernetzungen im europäischen Rahmen – auch in anderen Teilen der Welt Versuche der Zusammenführung. Und es sind dieselben »Strippenzieher« wie Steve Bannon oder der US-Aktivist der »Alt-Right«-Bewegung Richard Spencer mit seinem National Policy Institute. Ihnen geht es darum, die nationalistischen, reaktionären und antidemokratischen Parteien weltweit zusammenzuführen, um emanzipatorische Bewegungen aufzuhalten. Mitte September traf sich – diesmal eingeladen und geleitet von der »Disenso-Stiftung« der spanischen rechten Partei Vox – in Buenos Aires das »Forum Madrid«. Gegründet wurde dieses »Forum« schon 2020. Die zentralen Themen waren »Kampf gegen links« und »die Feinde des Westens«, worunter man alle verstand, die die politische Hegemonie von USA und EU infrage stellen.
Ziel dieses Treffens war es, eine Einheit zwischen spanischen und hispano-amerikanischen Rechten herzustellen und eine gemeinsame Strategie gegen die »erklärten Feinde« zu entwickeln. Konservative aus Chile, Exilierte aus Venezuela, Anhänger des brasilianischen Expräsidenten Bolsonaro und aus weiteren lateinamerikanischen Staaten waren als Teilnehmende nach Buenos Aires gekommen. Als ideologisches Band der Zusammenarbeit wird eine vermeintlich gemeinsame Kultur der »Iberosphäre« reklamiert. Bezeichnend ist, dass diese rechte Vernetzung ihren ideologischen Bezugspunkt im spanischen Kolonialismus nimmt. Und so führt Vox als spanische und europäische Partei in kolonialistischer Manier die lateinamerikanische extreme Rechte an. Zudem verknüpft sie dieses Netzwerk mit den Kontakten zur europäischen und nordamerikanischen Rechten.
Hauptredner der Konferenz war der argentinische Präsident Javier Milei. Er inszenierte sich – nach Medienberichten – wie der künftige »Messias«, der die »Befreiung des Kontinents von allen Linken« durchsetzt. In einem Bericht heißt es: »Er gibt der ultrarechten Bewegung eine Art ästhetisches Element – mit seiner zur Schau gestellten Respektlosigkeit und seiner Rolle als Fernsehpersönlichkeit. Er macht Lärm. Er weiß, wie er die Leute erreichen kann. In einer Gesellschaft des Spektakels macht allein das ihn zu einer relevanten Figur.«
Trotz solcher Spektakel blieb die öffentliche Resonanz auf dieses Treffen hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. Offenbar ist die Zustimmung der argentinischen Öffentlichkeit zu Milei und seiner Politik nicht mehr ausgeprägt. Dennoch ist mit diesem Treffen ein weiterer Schritt zur Vernetzung der extremen Rechten gelungen. Man verständigte sich auf die gemeinsamen Feinde. Im außenpolitischen Teil wurden Kuba, Venezuela, Russland, China und Iran als »Feinde des Westens« gebrandmarkt. Gesellschaftspolitisch sind die »erklärten Feinde« Sozialismus, Kommunismus, Feminismus, Migration usw. Dagegen setze man traditionelle Familienbilder und Religion. Damit folgt das »Madrid Forum« der US-amerikanischen Außenpolitik und der Ideologie der »Alt-Right«-Bewegung. Man ist sich bewusst, dass der Vormarsch der politischen Rechten in Lateinamerika nur mit Unterstützung der US-Regierung möglich sein wird und hofft deshalb auf einen Wahlsieg von Donald Trump im November bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen.
Aber es gibt auch eine Gegenbewegung. Zum zweiten Mal nach 2022 trafen sich am 10./11. September 2024 in Caracas (Venezuela) Regierungsvertreter und Repräsentanten der Zivilgesellschaft aus Lateinamerika und anderen Teilen der Welt zu einem »Weltkongress gegen Faschismus und Neofaschismus«. Medienberichte sprachen von 1.200 Teilnehmenden. Das Hauptreferat behandelte die »psychologische Kriegsführung (…) gegen die Bolivarische Revolution, linke und progressive Regierungen«. »Der Aufstieg des Neofaschismus in Lateinamerika und der Karibik«, Vorträge über Faschismus, Rassismus und Völkermord im aktuellen Kontext, die Rolle der Frauen und globale Strategien ergänzten die Debatte. Auch in dieser Region wird die alarmierende Verbreitung von Neofaschismus über Social Media, die Hass, Angst und Furcht schürt, als Problem gesehen. Während eine Regierungsvertreterin Venezuelas zur Gründung einer »internationalen antifaschistischen Bewegung« aufrief, begannen die Delegierten mit bilateralen Treffen eine überregionale antifaschistische Vernetzung gegen den Aufmarsch der extremen Rechten in Lateinamerika.