Frauen im Widerstand
4. Januar 2025
»Jetzt sind wieder die Initiativen gefragt«: Tagung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
An der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) wurde – gefördert vom Bundestag – fünf Jahre zum Frauenwiderstand im deutschen Faschismus recherchiert. Zum Abschluss lud die GDW am 31. Oktober und 1. November zu einer Tagung über »Forschungsstand und Ausblicke« ein. Einen Bericht zu den Ergebnissen des Projektes gab es nicht. Der Leiter der GDW, Johannes Tuchel, versprach ihre Einarbeitung in die Dauerausstellung. Dort sind Frauen bis heute unterrepräsentiert.
Initiative von Antifaschistinnen
Ab Ende der 1960er-Jahre begannen Frauen, die selbst aus dem Widerstand kamen, sich in der VVN, im Ravensbrück-Komitee und im Studienkreis Deutscher Widerstand engagierten, mit der Aufarbeitung des Frauenwiderstandes. An ihr Wirken erinnerte Thomas Altmeyer vom Studienkreis in seinem Tagungsbeitrag. 1974 veröffentlichten Gerda Zorn und Gertrud Meyer ihr Buch »Frauen gegen Hitler. Berichte aus dem Widerstand 1933–1945«. 1978 folgte eine Publikation von Hanna Elling und 1983 eine von Gerda Szepansky. Ihre Wanderausstellung wie auch die des Studienkreises wurden überall in der BRD gezeigt, begleitet von Veranstaltungen mit Zeitzeuginnen und oft ergänzt durch lokale Beispiele.
Befördert wurde das Interesse durch die Neue Frauenbewegung. Für sie waren Frauen, die Widerstand geleistet hatten, »Vorbilder, Gesprächspartnerinnen, Verbündete«, wie Sina Speit ausführte, die zu diesem Thema promoviert hat. Sie berichteten in ihren Zeitungen, luden Zeitzeuginnen und Autorinnen ein, organisierten Ausstellungsmöglichkeiten und begannen selbst zum Thema zu forschen.
Repression versus Handeln
In seiner Einführung machte Johannes Tuchel die Repression von Frauen zur Richtschnur ihres Widerstands. Die Kritik, dass er damit Frauen viktimisiere, statt ihr Handeln zu würdigen, und Frauen, die der Verfolgung entgingen, weiter ausgeblendet blieben, wies er mit dem Argument zurück, dass heute nur noch die Akten des Repressionsapparates zur Verfügung ständen.
Wie problematisch ein solcher Ansatz gerade bei Frauen ist, zeigten viele der folgenden Tagungsbeiträge. Aufgrund des NS-Frauenbildes gerieten Frauen seltener in den Fokus von Nazibehörden, weil sie ihnen gar keinen Widerstand zutrauten. Das galt nicht nur für weibliche Angehörige, Ehefrauen und Mütter, sondern auch für Sekretärinnen und andere Mitarbeiterinnen.
»Wäre die aktive Rolle der Frauen des 20. Juli früher ins öffentliche Bewusstsein gelangt«, fragte Linda von Keyserlingk-Rehbein, »wenn das NS-Regime diese Frauen anders bewertet und verurteilt hätte?« Wegen Fluchthilfe und nachträglichen Äußerungen wurden Frauen verurteilt, aber keine wegen Beteiligung am Staatsstreich. Das prägt bis heute die Bewertung ihrer Bedeutung.
Frauen nutzten das Geschlechterbild auch selbst zur Tarnung ihres Widerstandes, bei ihrer Hilfe für Verfolgte und Verhaftete oder in Verhören, wie Layla Kiefel am Beispiel der Frauen des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes erläuterte.
»Geschlechtsspezifische Delinquenzkonstruk-tionen« stellte Isabella Beck am Beispiel der »Leipziger Meuten« vor. Während einige junge Frauen als »Verführte« einer Bestrafung entgingen, wurden andere als »Verführerinnen« oder »Anführerinnen« besonders hart bestraft. Über ihren tatsächlichen Widerstand sagt weder das eine noch das andere etwas aus.
Auch Hildegard Schimnschok wurde unterstellt, dass sie dem Leiter ihrer Widerstandsgruppe »hörig« gewesen sei. Weil sie überlebt hatte und nicht zu den vielen Ermordeten gehörte, sprach die Freidenkerin lange nicht über ihre Widerstandstätigkeit und ihre Verfolgung. Erst ab Ende der 1970er-Jahre bis zu ihrem Tod 2001 trat sie als Zeitzeugin auf, um andere zu motivieren, gegen neue Rechtsentwicklungen und Kriegsgefahren aktiv zu werden. Gisela Notz, die sie interviewt hat und ihre Biografie vorstellte, schloss ihren Beitrag mit einem Appell. Angesichts der aktuellen rechten Gefahr sei es notwendiger denn je, Widerstandsgeschichten weiter aufzuarbeiten und weiter zu verbreiten.
Perspektiven
Die Leitfrage sollte dabei auch in Zukunft nicht sein, warum Frauen vom NS-Regime verfolgt wurden, sondern was Frauen – und auch Männer – im Unterschied zur übergroßen Mehrheit der Bevölkerung zu Widerstand motivierte. Für heutiges antifaschistisches Handeln brauchen wir Antworten darauf, welche Rolle Milieu, Sozialisation, Gruppenzugehörigkeit, politische und andere Werte, individuelle Lebenserfahrungen oder persönliche Betroffenheit spielen.
Das abschließende Podiumsgespräch der Tagung zu Perspektiven war wenig ergiebig. Unklar blieb, wie es mit den von dem GDW-Projekt in einer Datenbank erfassten Informationen zu mehr als 5.000 widerständigen Frauen weitergeht. Johannes Tuchel hat angekündigt, dass die bisher rund 300 auf einer Website veröffentlichten Biografien nach und nach ergänzt werden sollen. Doch bei vielen Datensätzen bedarf es wohl weiterer Recherchen. Eine Mitarbeiterin des Projektes mutmaßte: »Jetzt sind wieder die Initiativen gefragt.«
Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist nicht geplant.
Über Sonderausstellung, Katalog und Webseite zu »Frauen im Widerstand« berichtete antifa in ihrer Ausgabe vom September/Oktober 2024.
Neue Ausstellung und Katalog zu »Frauen im Widerstand« vom Haus der Frauengeschichte in Bonn:
hdfg.de/ausstellung/heimlich-laut-und-leise-frauen-im-widerstand-gegen-den-nationalsozialismus/
Termine zu Führungen von Trille Schünke in allen Berliner Bezirken zu »Frauen im Widerstand«:
frauentouren.de
Antifaschistinnen aus Anstand:
antifaschistinnen-aus-anstand.de