Grenzen der Zivilgesellschaft

4. Januar 2025

Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) zu den Wahlerfolgen der AfD

Die Wahlerfolge der AfD und damit eine neue Phase der (elektoralen) Mobilisierung der extremen Rechten stellen die demokratische Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen. Es geht in den kommenden Jahren darum, die Reihen zu schließen und die eigenen Grenzen zu erkennen.

Die Landtagswahlen in den Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben in den letzten Monaten deutlich gezeigt, welches Wähler:innenpotenzial die AfD gerade in den neuen Bundesländern hat. In allen drei Bundesländern kam die extrem rechte Partei auf rund ein Drittel der abgegebenen Stimmen. In Thüringen wurde die AfD mit 32,8 Prozent nicht nur stärkste Kraft, sondern verfügt in den kommenden Jahren auch über eine Sperrminorität im Landtag. Die Enttäuschung, welche dieses Ergebnis auch bei der demokratischen Zivilgesellschaft nach all den Monaten der Aufklärungs- und Mobilisierungsarbeit auslöste, war bei der letzten Demonstration am Wahlabend am Landtag in Erfurt deutlich wahrnehmbar. Und auch vor der herannahenden Bundestagswahl liegt die AfD bei Umfragen aktuell bei rund 20 Prozent. Ein derartiges Mobilisierungspotenzial für eine einzelne extrem rechte Partei hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 und dann im geeinten Deutschland seit 1990 nicht gegeben. Damit steht die demokratische Zivilgesellschaft einer Partei gegenüber, die über hunderte Mitarbeiter:innen, Büros und andere Ressourcen verfügt, um die Demokratie zu bekämpfen.

Grenzen erkennen

In den Monaten vor der Wahl im Freistaat Thüringen hatten sich tausende Thüringer:innen auf der Straße dem Wahlerfolg der AfD entgegengestemmt, zig Projekte hatten mit digitalen Kampagnen Aufklärung betrieben und viele bekannte Persönlichkeiten gegen die Wahl der extrem rechten Partei Position bezogen. Das enorm hohe Wahlergebnis zeigt: Gegen die multiplen sozialen und politischen Krisen (Pandemie, Krieg, wirtschaftliche Abstiegsängste) sind diese Aktionen und Maßnahmen nur eingeschränkt wirksam. Dies kann an dieser Stelle nur eine kursorische Aufzählung sein, die das grundlegende Argument deutlich machen soll. Ein großer Teil der Bevölkerung ist in dieser Situation bereit, einer extrem rechten Partei die Stimme zu geben. Davon können weder Demos noch Aufklärung diese Menschen abhalten. Hinzu kommt eine immer weitere Erosion der etablierten demokratischen Parteien. In dieser Phase müssen wir auf der Ebene zivilgesellschaftlichen Engagements unsere Grenzen erkennen. Nicht nur, um Ressourcen sinnvoll einzusetzen, sondern auch um Enttäuschungen vorzubeugen. Dies bedeutet nicht, dass Demonstrationen und andere Kampagnen sinnlos sind, aber sehr wohl, dass wir mit diesen keinen gesamtgesellschaftlichen Wandel erreichen werden. Dennoch: Es geht auch darum, mit einer kraftvollen Demonstration die eigenen Reihen zu stärken und in einer so ausweglos scheinenden Situation zu sehen: Du bist nicht allein, Tausende sind mit dir. Und dies wird eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre sein: Die Reihen zu schließen und Leute zu stärken, die in den Fokus der AfD geraten und ihren Angriffen ausgesetzt sind – egal ob es antisemitische, rassistische, ableistische usw. Argumentationen sind, die hinter den Angriffen stecken. Kurz gesagt: Es braucht eine starke Solidarität untereinander! Dies bedeutet nicht zuletzt, da wo es möglich ist, Projekte und Netzwerke zu schaffen, die zeigen, wie man gesellschaftliches Leben solidarisch organisieren kann.

Der Bundesverband Mobile Beratung hat einen 16seitigen »Jahresrückblick 2024: Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt.« veröffentlicht. Downloadlink: kurzlinks.de/jahresrueckblick2024-beratung

Der Bundesverband Mobile Beratung hat einen 16seitigen »Jahresrückblick 2024: Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt.« veröffentlicht. Downloadlink: kurzlinks.de/jahresrueckblick2024-beratung

Und die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen müssen Druck auf die etablierten Parteien ausüben: Jenseits parteipolitischer Positionen geht es der AfD um nichts Geringeres als die Abschaffung der Demokratie. Dies sollten sich alle deutlich machen. Ein Selbstüberbietungswettbewerb, der die Hetze der AfD aufgreift und es der Partei erlaubt, so ihre menschenverachtenden Positionen weiter zu verbreiten, wird die Situation nur verschlimmern. Es muss einen Minimalkonsens geben, der ein demokratisches und menschenrechts-orientiertes Fundament für alle als Grundlage ansieht. Dazu sollte seitens der regierenden Parteien auch die Förderung der demokratischen Netzwerke gehören. Strukturen nun zu kürzen und zahlreichen Menschen ihre Ansprechpartner:innen zu nehmen, wäre in dieser Situation fatal. Es würde nicht zuletzt die Geringschätzung der demokratischen Zivilgesellschaft und einer demokratischen politischen Kultur insgesamt zeigen. Und genau hier können wir Druck ausüben und in den Dialog mit den regierenden Parteien und der demokratischen Opposition gehen, damit diese ihre Verantwortung jenseits parteipolitischer Positionen nicht in Vergessenheit geraten lassen.

Zusammenstehen!

Dies können nur einige wenige Punkte sein, um die aktuelle Situation zu beschreiben und Grundgedanken zu skizzieren. Nach der Bundestagswahl wird sich zeigen, wie sich die Situation auch auf Bundes-ebene weiterentwickelt. Es wäre dann die Zeit, bundesweit in die Diskussion zu gehen und neue Strategien zu entwickeln.