Wir sind das bunte Hinterland!

6. Mai 2025

Gemeinsame Erklärung ostdeutscher CSDs und Pride-Veranstaltungen 2025

Im Jahr 2024 gab es mehr »Christopher Street Day«-Veranstaltungen in Deutschland als je zuvor. Gerade in kleinen Städten schlossen sich viele Menschen zusammen, um ein Zeichen für die Rechte queerer Menschen im ländlichen Raum zu setzen. Doch die Realität ist besorgniserregend: Die Bedrohungen durch rechtsextreme Akteure in den östlichen Bundesländern haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2024 wurden in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen unsere CSD-Veranstaltungen dokumentiert, in einigen Fällen mit bis zu 700 gewaltbereiten Neonazis. Als Antwort darauf haben wir ein Netzwerk ostdeutscher CSDs und Prides gegründet. Im März 2025 trafen sich engagierte Menschen in Berlin, um gemeinsam über die praktische Umsetzung queerer Veranstaltungen, Mobilisierung und Sicherheit zu sprechen. Das Signal ist klar: Wir zeigen Präsenz mit Zuversicht. Wir sind vorbereitet, und wir sind nicht allein.

Als queere Menschen und gesellschaftlich Engagierte in Ostdeutschland sind wir vielfältig. Wir organisieren große und kleine CSDs, wir leben in Städten und auf dem Land, wir sind jung und alt, wir haben unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen. Wir sind lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*, nicht-binär und queer – wir leben in Regenbogenfamilien, in Partner*innenschaften und Ehen, allein oder in alternativen Familienmodellen. Uns eint die Überzeugung: Unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Wir halten zusammen – nicht nur, weil wir Angriffen auf diese Vielfalt so besser begegnen können, sondern auch, weil uns gemeinsame Träume verbinden.

Wir wünschen uns eine Welt, in der alle sicher leben können! Eine Welt, in der niemand in enge Normen gezwungen wird. Eine Welt, in der Menschen leben können, wo sie wollen, und die Versorgung bekommen, die sie brauchen. In der jeder Mensch gleichberechtigter Teil der Gesellschaft ist – Teil einer solidarischen und empowernden Gemeinschaft, in der jeder einzelne Mensch strahlen kann. Wir stehen für ein Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt, in dem wir als queere Menschen gleiche Chancen haben und Behörden unsere Lebenssituation gleichberechtigt berücksichtigen. Denn gerade hier besteht enormer Nachholbedarf. Nach der sächsischen Studie zu lsbtiq*- Lebenslagen von 2022 sehen sich 65 Prozent der queeren Menschen bei Ämtern und Behörden benachteiligt, unter trans* und nicht-binären Menschen sind es sogar 80 bis 88 Prozent. Zur Pride-Saison 2025 gehen wir diese Ziele als ostdeutsche CSDs und Queer Prides zusammen an. Denn es geht um vieles: um unsere Rechte, um unsere Freiheiten, um unsere Selbstbestimmung. Und darum, die Vielfalt queeren Lebens in Ostdeutschland sichtbar zu machen.

Als queere Community in Ostdeutschland wollen wir für all jene laut sein, die nicht frei demonstrieren können. Gemeinsam treten wir für diejenigen ein, die sich aus Angst vor Gewalt nicht outen können! In vielen kleineren Städten und ländlichen Regionen Ostdeutschlands ist die Situation für queere Menschen besonders herausfordernd. Der Sachsen-Monitor 2023 zeigt, dass 30 Prozent der Bevölkerung gleichgeschlechtliche Beziehungen für »unnatürlich« halten – ein Anstieg von 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Fast die Hälfte der befragten LSBTIQ*-Personen hat in den letzten fünf Jahren Beleidigungen, Bedrohungen oder Übergriffe erfahren. Nur ein Viertel fühlt sich im öffentlichen Raum sicher. Im ländlichen Raum sind besonders viele queere Menschen nicht geoutet – die erwähnte Lebenslagen-Studie weist nach, dass etwa 40 Prozent nicht oder nur teilweise offen leben. Die häufigsten Gründe sind die Angst vor negativen Reaktionen und der gesellschaftliche Druck, sich immer wieder für die eigene Identität erklären und rechtfertigen zu müssen. Besonders prekär ist die Situation für transgeschlechtliche und nicht-binäre Menschen: Sie erleben in allen Lebensbereichen häufiger Diskriminierung, sind seltener zufrieden mit ihrem Leben und können ihre Lebensentwürfe seltener selbstbestimmt gestalten.

Wo rechte und antidemokratische Kräfte an Einfluss gewinnen, werden unsere Räume und unsere Sichtbarkeit aktiv bedroht. Einen CSD zu organisieren bedeutet hier nicht selten, sich persönlichen Anfeindungen, Drohungen und manchmal sogar physischer Gewalt auszusetzen.

Bei CSD-Veranstaltungen 2024 wurden Teilnehmende bedroht, Regenbogenflaggen verbrannt, und in Bautzen musste die Abschlussparty aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Dennoch halten wir an diesen wichtigen Orten der Sichtbarkeit fest – denn gerade hier ist es entscheidend, dass queeres Leben und demokratische Werte sichtbar bleiben.

Wir rufen alle queeren Menschen und Verbündeten aus dem gesamten Bundesgebiet auf: Kommt zu den CSDs in den kleineren Städten Ostdeutschlands! Helft mit eurer Präsenz, sichere Räume zu schaffen und ein antifaschistisches Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung zu setzen. Im Zeichen des Regenbogens erinnern wir an Stonewall: Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir lassen uns nicht vertreiben, und wir werden uns erst recht nicht verstecken! Unsere Botschaft ist klar: Wir sind das bunte Hinterland!

Wir veröffentlichen hier eine leicht gekürzte Fassung der Erklärung »Wir sind das bunte Hinterland«, die Ende April veröffentlicht wurde.

CSD-Termine 2025 in Ostdeutschland. Liste der bestätigten CSDs und Prides:

26.04. Schönebeck

17.05. Dessau/Roßlau

17.05. Angermünde

17.05. Plauen Soli Party

24.05. Brandenburg an der Havel

31.05. Rheinsberg

07.06. Werningerode

07.06. Pößneck

07.06. Schwerin

14.06. Greifswald

14.06. Merseburg

21.06. Eberswalde

21.06. Queer Pride Dresden

21.06. Lutherstadt Wittenberg

21.06. Jena

28.06. Falkensee

05.07. Teltow

05.07. Wittenberge (Prignitz)

12.07. Riesa

12.07. Pirna

12.07. Köthen

12.07. Bernau

12.07. Luckenwalde

12.07. Bad Belzig

12.07. Neuruppin

19.07. Rostock

26.07. Mühlhausen

02.08. Neubrandenburg

09.08. Ludwigsfelde

10.08. Bautzen

16.08. Plauen

16.08. Naumburg (Burgenlandkreis)

30.08. Rathenow

31.08. Zwickau

13.09. Frankfurt Oder/Słubice

13.09. Grevesmühlen

20.09. Döbeln

27.09. Oranienburg

27.09. Görlitz

27.09. Stendal

12.10. Greifswald