Nicht durchkommen lassen
7. November 2022
Ein Film über spontanen Widerstand gegen rechten Kapp-Putsch 1920 in Cottbus
»Dieser Film handelt über den Kapp-Putsch 1920, den ersten rechtsradikalen Umsturzversuch in der deutschen Geschichte.« So führt Bernd Langer gleich zu Beginn in die Handlung des Streifens »Mit der Waffe in der Hand« ein. Der Oralhistoriker ist vielen Linken bekannt wegen seiner Bücher, in denen er die Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Deutschland aufgearbeitet hat. Diese Arbeit setzt er im Film fort. Dort dokumentiert Langer, wie in Cottbus der rechte Putsch am spontanen Widerstand großer Teile der Bevölkerung, vor allem der Arbeiter*innenbewegung scheitert.
Man sieht Langer im Film, wie er in einfachen Worten die Vorgeschichte des Kapp-Putsches erklärt und historische Dokumente einblendet. Kleine Kritikpunkte sollen nicht verschwiegen werden. So spricht Langer von Linksradikalen, die glauben, dass nach der Novemberrevolution 1918 der Kapitalismus am Ende sei. Tatsächlich waren es vor allem Arbeiter*innen in vielen Ländern, die oft lange Jahre Mitglieder sozialdemokratischer Parteien waren, die 1918 Schluss machen wollten mit Kapitalismus und Krieg. Etwas unverständlich ist auch, dass Langer im Film von den großen Härten spricht, die Deutschland durch den Versailler Vertrag entstanden sein sollen. Dabei haben längst linke Historiker*innen nachgewiesen, dass die Folgen des Versailler Vertrags längst nicht so gravierend waren wie die expansiven Kriegsziele, die das deutsche Kapital und alle führenden Politiker (damals nur Männer) noch bis 1918 durchsetzen wollten. Doch insgesamt liefert Langer eine sehr lebendige Darstellung des spontanen antifaschistischen Widerstands der Cottbuser Bevölkerung gegen den rechten Putsch.
Der beginnt schon beim Anbringen der Plakate, mit denen der Ausnahmezustand angekündigt werden soll. Eine große Menschenmenge riss die Anschläge sofort ab oder vertrieb die Soldaten, die sie anbringen wollten. Darauf lässt der zuständige Major Bruno Ernst Buchrucker in die Menge schießen. Vier tote Antifaschist*innen und viele Verletzte sind die Folge. »Schwere Blutopfer in den Straßen von Cottbus« meldeten am nächsten Tag die lokalen Zeitungen, die im Film eingeblendet werden. Die Militärs lassen eine Bombe in eine linke Druckerei werfen. Das Ziel ist die Brechung des Generalstreiks der Arbeiter*innen. Gleichzeitig muss Buchrucker taktieren, weil er in Cottbus keine militärische Unterstützung von den Putschisten in Berlin erwarten kann. Denn längst sind sie durch den spontanen Widerstand der Bevölkerung in die Defensive geraten. Es bildet sich eine Rote Garde Niederlausitz, in die allerdings nur Männer aufgenommen werden. Sie lassen sich auch nicht durch die Drohungen von Major Buchrucker abschrecken, der befiehlt, dass alle Arbeiter*innen, die Waffen tragen, umgehend zu erschießen seien. Sehr anschaulich zeigt Langer, wie sich in der Niederlausitz auch aus kleinen Orten Arbeiter*innen auf den Weg machen, um die rechten Putschisten nicht durchkommen zu lassen. Die werden von der Roten Garde Lausitz eingekreist. Nachdem in Berlin der rechte Putsch am entschlossenen Widerstand der Arbeiter*innenklasse gescheitert ist, gehen in Cottbus wie in vielen anderen Regionen Deutschlands die Auseinandersetzungen weiter. Die Rote Garde will die Niederlage der Putschisten nutzen, um grundlegende revolutionäre Veränderungen durchzusetzen, die im November 1918 angekündigt waren. Sie sind nicht bereit, sich einer Reichswehr zu unterwerfen, die sich dem Putsch nicht widersetzte. An dieser Stelle sind die Erklärungen von Langer enttäuschend, der von einem sinnlosen Widerstand spricht. Im Film sind auch die beiden in der DDR errichteten Gedenkorte für die im Kampf gegen Kapp und Reaktion gestorbenen Arbeiter in Cottbus zu sehen.
Am Ende befasst sich der Film mit der Biografie von Buchrucker, der sich 1926 der NSDAP anschloss, dort aber mit der Strömung um Otto Strasser sympathisierte, die in Opposition zu Hitler stand. Im parteiinternen Machtkampf unter NS-Faschisten wird Buchrucker auch mal von SA-Leuten zusammengeschlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfasste der nazistische Hitler-Gegner weiter Bücher zur Ehre des deutschen Soldaten.
Außerdem geht Langer noch auf die Biografie von Heinz Reinefarth ein, der in Cottbus seine Kindheit verbrachte, aber im Kapp-Putsch noch keine Rolle spielte. Der SS-General wird wegen seiner Rolle bei der militärischen Niederschlagung des Aufstands der polnischen Heimatarmee »Henker von Warschau« genannt. Nach 1945 startete Reinefarth in der BRD eine zweite politische Karriere, war lange Jahre Bürgermeister von Sylt. Noch immer gibt es Straßen, die seinen Namen tragen.