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14. September 2023

Thomas Kuczynski tot

Der marxistische Wirtschaftshistoriker und Antifaschist Thomas Kuczynski ist tot. Er starb am 19. August in Berlin. Geboren wurde er am 12. November 1944 in London, im Exil seiner Eltern Jürgen und Marguerite. Nach dem Krieg siedelte die Familie in die spätere DDR über, Thomas Kuczynski studierte an der Ostberliner Hochschule für Ökonomie Statistik. Später veröffentlichte er als Publizist zahlreiche Schriften zur Politischen Ökonomie und fungierte als Herausgeber von neu veröffentlichten Marx-Bänden. Herausragend auch sein Engagement in der Auseinandersetzung zwischen der BRD und Opfern der Nazizwangsarbeit: Im Jahr 1999 veröffentlichte er die Studie »Entschädigungsansprüche für Zwangsarbeit im ›Dritten Reich‹ auf der Basis der damals erzielten zusätzlichen Einnahmen und Gewinne«, die ergab, dass die BRD den Opfern rund 180,5 Milliarden DM schuldig sei.

VS-Akte veröffentlicht

Ende Juni wurde eine 396 Seiten starke Akte des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) über Alois Brunner veröffentlicht. Brunner befehligte während des Zweiten Weltkrieges mordende SS-Sonderkommandos und war zeitweise als Stellvertreter Adolf Eichmanns Mitorganisator der Shoah. Bis 1954 lebte Brunner unter falschem Namen in der BRD. Er setzte sich ins Ausland ab und starb wohl 2001 in Syrien. Laut der Akte wusste das BfV bereits seit 1960 über den Aufenthalt und die Tarnidentitäten Brunners Bescheid. Der NS-Reichsstudentenführer Georg Fischer hatte Brunner seine Identität für Flucht und Exil zur Verfügung gestellt. Die Bundesrepublik stellte erst 1984 ein Auslieferungsersuchen an Syrien.

Vorurteile gegen Muslime

Etwa jede zweite Person in Deutschland stimmt Aussagen zu, die Musliminnen und Muslime diskriminiert, ein Drittel der Deutschen befürwortet Einschränkungen islamischer Glaubensausübung. Dies sind Aussagen in einem Gutachten einer unabhängigen Expertenkommission, die das Innenministerium als schnelle Reaktion auf die Anschläge von Hanau eingesetzt hatte und das Ende Juni vorgestellt wurde. Gerade in Medien und Politik wurde eine »Muslimisierung der Themen« festgestellt. Gesamtgesellschaftliche Problemlagen (Bildungsungerechtigkeit, geschlechtsspezifische Gewalt, Armut) werden dabei zu muslimischen Problemen erklärt. Besonders das Handeln von Sicherheitsbehörden steht dabei im Fokus. Selbstkritik staatlicher Stellen sei nötig.

Prozess eröffnet

Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang Juli das Verfahren zum Entzug der staatlichen Finanzierung von »Die Heimat« (ehemals NPD) eröffnet. Nach dem gescheiterten Verbot der NPD 2017 wurde das Grundgesetz dahingehend geändert, dass verfassungswidrige Parteien, die nicht groß genug für ein Verbot seien, wenigstens von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können. 2019 stellten Bundestag, -rat und -regierung einen entsprechenden Antrag. Derzeit erfüllt die Partei, die der Verfahrenseröffnung demonstrativ fernblieb, allerdings nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Wahlkampfkostenerstattung.

Klage zu Fall Oury Jalloh

Ein Bruder des 2005 auf einer Polizeiwache in Dessau (Sachsen-Anhalt) verbrannten Oury Jalloh erhob Anfang Juli Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Kläger beruft sich dabei auf das Recht auf Leben, das Folterverbot und das Verbot von Diskriminierungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Oury Jalloh soll sich, obwohl er gefesselt und alkoholisiert war sowie unter Drogen stand, in einer Zelle auf einer Matratze nach Polizeiangaben selbst angezündet haben. Die Familie und andere Personen gehen von einem Verschulden der Polizeibeamtinnen bzw. -beamten und einer behördlichen Verschleierung aus. In zwei Landgerichtsprozessen wurde niemand verurteilt.

AfDler »verfassungstreu«

Robert Sesselmann (AfD), dem am 25. Juni gewählten Landrat des Kreises Sonneberg, wurde Anfang Juli die Verfassungstreue bestätigt. Das zuständige Verwaltungsamt in Thüringen hatte »derzeit keine konkreten Umstände gesehen, die von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen«. Dies, obwohl Sesselmann ein enger Gefolgsmann des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke ist.

Anzeige gegen Reichelt

Alfons Pantisano (SPD), Berlins -Queer-Beauftragter, hat im Juli Strafanzeige gegen Julian Reichelt wegen Volksverhetzung gestellt. Der ehemalige Bild-Chefredakteur hatte sich in einem Tweet dagegen gewandt, dass vorm Berliner Polizeipräsidium die Regenbogenfahne gehisst wurde. Im Tweet heißt es u. a.: »Jede totalitäre Ideologie hat schon immer die ›Solidarität‹ beschworen«.

Geld für AfD und CDU

Spenden für die im Bundestag vertretenen Parteien sprudeln wieder. Fast eine Million Euro bekamen alle Parteien zusammen im ersten Halbjahr 2023. Die größte Einzelspende ging mit 265.000 Euro an die AfD, gefolgt von der CDU mit 216.000 Euro. CSU und Die Linke erhielten 2023 noch keine Großspende.

Einigung bei Grünen

Nachdem im Gemeinderat Backnang (Baden-Württemberg) einige Gemeindemitglieder von Bündnis 90/Die Grünen einem Antrag der AfD zugestimmt hatten, gab es erhebliche Kritik. Anfang August haben sich der Bundesvorstand, kommunale Parteivertreter und Gemeindefraktion auf ein gemeinsames Vorgehen geeignet. Unter anderem sollen die Fraktionen bei sinnvollen Anliegen eigene Anträge stellen.

Rechte Überfälle

Mitte August wurde auf die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten in Celle ein Anschlag verübt. Dabei wurden Fensterscheiben und eine Informationstafel zerstört. Die VVN-BdA-Bundesvereinigung hat eine Solidaritätserklärung veröffentlicht.

Einige Tage vorher hatte es einen zerstörerischen Brandanschlag auf eine Informationsbox der Holocaustgedenkstätte »Gleis 17« in Berlin gegeben. Diese erinnert an den Beginn der Judendeportationen aus Berlin in die Vernichtungslager.

In Hamburg gab es Anfang August einen Anschlag auf das Veranstaltungszelt des Ohlsdorfer Friedensfestes. Das Zelt wurde dabei fast komplett zerstört. Das Bündnis Ohlsdorfer Friedensfest gründete sich als Reaktion auf faschistische Kundgebungen bei den Gräberfeldern von Bombenopfern auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Vier maskierte Männer überfielen am 22. Juli im sächsischen Sebnitz eine Flüchtlingsunterkunft. Nachdem sie sich gewaltsam Zugang verschafft hatten, griffen sie zwei Personen an und verletzten eine.

Eine Woche später wurde am Bahnhof in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) eine Regenbogenfahne gestohlen und eine Hakenkreuzflagge gehisst. In Bremen-Schönebeck wurde auf dem Gelände einer Schule Mitte August ein aus Holzlatten gelegtes Hakenkreuz entdeckt. Obwohl es in keinem dieser Fälle zu Festnahmen kam, liegt ein neofaschistischer Hintergrund der Taten nahe.

Zusammengestellt von Ulrich Stuwe

(in memoriam P. C. Walther)