Gute Arbeit und ein gutes Leben
27. April 2024
Gewerkschaftliche Arbeit gegen den Rechtsruck. Ein Gespräch mit Christian Meyer, IG Metall Berlin
antifa: Im historischen Bewusstsein der deutschen Arbeiterbewegung hat der Kampf gegen den Faschismus einen festen Platz. Lässt sich dieses Erbe auch aktuell noch gegen rechte Tendenzen aktivieren?
Christian Meyer: Ja klar, das gilt immer noch, gestern, heute, morgen. Allein die Erinnerung an den 2. Mai 1933, als die Nazis Gewerkschaften zerschlugen und auch unser Haus in Kreuzberg gestürmt wurde, führt uns vor Augen, dass wir als IG Metall ein ganz grundsätzliches Problem mit Faschisten haben. Auch der gewerkschaftliche Widerstand zeigt das. Und wir halten das Erbe mit Veranstaltungen und Bildungsangeboten auch präsent. Aber man muss auch selbstkritisch sagen, dass deutsche Gewerkschaften in den 1930ern oft eine unpolitische Haltung an den Tag legten, die sich im Nachhinein als fatal erwiesen hat. Gegenüber dem Faschismus kann es keine Neutralität geben. Das ist das Erbe.
antifa: Die AfD inszeniert sich als vermeintliche Arbeiterpartei. In den ländlichen Gegenden bedeutet das oft, sich gegen Klimaaktivist*innen zu engagieren, um einen bestimmten Industriezweig bzw. die Arbeit darin zu retten. Wie können sich Gewerkschaften im Sinne notwendiger Transformation davon abgrenzen und gleichzeitig ihre Schutzfunktion für die Arbeiterschaft aufrechterhalten?
C. M.: Die Faschisten greifen bestehende Widersprüche auf und formen sie gemäß ihrer Ideologie um. Die AfD hat Beschäftigten nichts zu bieten außer Ressentiments – und die bringen die Leute nicht von A nach B, und ihre Miete können sie davon auch nicht bezahlen. Wir wollen eine sozial-ökologische Transformation und keinen grünen Neoliberalismus, bei dem ganze Regionen oder gesellschaftliche -Milieus übergangen werden.
antifa: Die Belegschaften von Betrieben mit gewerkschaftlicher Verankerung haben geringere AfD-Zustimmungswerte. Womit hängt das zusammen?
C. M.: Demokratie, Selbstwirksamkeit und gelebte Solidarität sind das, was gewerkschaftliche Praxis ausmacht. Demokratie im Betrieb und erlebte Durchsetzungsfähigkeit in arbeitsbezogenen Konflikten sind die beste Vorbeugung gegen reaktionäre Entwicklungen unter Lohnabhängigen, weil sie sich hier als politische Subjekte betätigen können. Man könnte sagen, das ist unser Kerngeschäft.
antifa: Welche Versuche der AfD gibt es, um in den Betrieben Fuß zu fassen?
C. M.: Mit »Zentrum« (bzw. Zentrum Automobil) gibt es einen extrem rechten Verein, der seit 2009 bei Betriebsratswahlen vor allem in der Automobilindustrie antritt, sich aber auch für andere Branchen öffnet. Auch wenn es ihm gelungen ist, ein paar Mandate zu gewinnen, ist das noch lange kein Abbild der Wahlerfolge der AfD. Die Praxis solcher rechten Listen besteht oft darin, Kulturkämpfe im Betrieb austragen zu wollen, und weniger darin, auf den Interessengegensatz zwischen Unternehmen und abhängig Beschäftigten – zwischen Kapital und Arbeit – hinzuweisen. Und das merken die Beschäftigten auch.
antifa: Wir beobachten in letzter Zeit öfter Kooperationen von Gewerkschaften und Protestbewegungen wie Fridays for Future. Gelingt es, die oft unterschiedlichen Belange miteinander zu verknüpfen?
C. M.: Die übergeordneten Belange sind gar nicht so unterschiedlich. Wir arbeiten grundsätzlich mit allen zusammen, die unser Ziel teilen, gute Arbeit und ein gutes Leben für alle zu erstreiten. Umweltschutz, geschlechtliche Gleichstellung und Antirassismus gehören für uns schon lange dazu. Wir haben das in letzter Zeit aber durch Kooperationen noch deutlicher gemacht und dabei gemeinsame Interessen ins Zentrum gestellt. Wir unterstützen zum Beispiel »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«, weil das Thema Miete und Wohnen in der Stadt praktisch alle betrifft. Die aus den Gewerkschaften gestartete Initiative »Mach meinen Kumpel nicht an« gibt es seit fast 40 Jahren. Gewerkschafter*innen engagieren sich dort gegen Rassismus und Diskriminierung. Unsere Aufgabe ist, Lohnabhängige organisieren und ermächtigen – unabhängig von Herkunft, Kultur, geschlechtlicher Identität usw. Jede*r Einzelne muss Haltung zeigen und widersprechen, wenn es zu Diskriminierung und rechter Hetze kommt. Da dürfen wir uns nicht wegducken, auch wenn das in den Betrieben mal unangenehm werden kann. Und wo wir als IG Metall Einzelnen den Rücken stärken können, da tun wir es, denn große gesellschaftliche Probleme lösen wir nur gemeinsam und solidarisch.
Christian Meyer ist hauptamtlicher Gewerkschafter bei der IG Metall Berlin
Das Interview führte Nils Becker
Christian Meyer auf die Frage, was in naher Zukunft seitens der IG Metall gegen den Rechtsruck geplant ist:
»Im Kampf gegen rechts ist es zentral, eigene Themen zu setzen und ein Projekt sichtbar zu machen, dem sich Leute anschließen können. Wir kümmern uns um unser Kerngeschäft: die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten zu verbessern, Demokratie am Arbeitsplatz ausbauen und die Transformation sozial zu gestalten. Im März haben wir uns mit kleinen betrieblichen Aktionen an den Internationalen Wochen gegen Rassismus beteiligt. Mit dem ›Hand in Hand‹-Netzwerk bleiben wir verbunden, aus der Ecke wird bestimmt noch was kommen, und da sind wir dann auch wieder am Start.«