Beginn der Organisierung

geschrieben von Peter Nowak

6. Mai 2025

Die Geschichte der spanischen Antifa in einem neuen Buch

Der Film »Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte« (siehe antifa-Ausgabe September/Oktober 2024) hat im vorigen Jahr viel Aufmerksamkeit erfahren. Zudem hat die Doku einen Anstoß für eine Beschäftigung mit der Geschichte der antifaschistischen Bewegung seit 1989 in Deutschland gegeben.

Miquel Ramos hat mit seinem Buch »Antifascistas« eine Geschichte der antifaschistischen Bewegung Spaniens von den frühen 1990er-Jahren bis heute vorgelegt, mit dem sich Vergleiche zum Film ziehen lassen. In Spanien ist das Buch schon vor einigen Jahren erschienen, jetzt hat der Bahoe-Verlag es in deutscher Sprache herausgebracht. Ramos war seit frühester Jugend in der antifaschistischen Bewegung Spaniens aktiv und befasst sich seit vielen Jahren auch als Wissenschaftler und Journalist intensiv mit der rechten Szene im Land.

Für sein Buch hat er auf Berichte, Bücher und Artikel von Freund*innen und Kolleg*innen zurückgegriffen, die oft eine ähnliche politische Sozialisation erfahren haben. Sie waren oder sind teils über eine lange Zeit antifaschistische Aktivist*innen oder auch Wissenschaftler*innen und Journalist*innen, manche auch Politiker*innen linker Parteien.

In 53 gut lesbaren Kapiteln zeichnet Ramos eine Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Spanien seit dem Ende der Franco-Zeit nach. Im ersten, sehr persönlichen Kapitel beschreibt Ramos, wie er 1993 als 14jähriger in der Schule von einem Lehrer erfährt, dass sein Freund Guillem von einem Neonazi erstochen wurde – der Beginn seiner antifaschistischen Organisierung.

Ramos beschreibt die ersten Kämpfe gegen die Epigon*innen des Franco-Faschismus, der in Spanien noch weniger aufgearbeitet wurde als der deutsche Faschismus hierzulande. Ramos nennt die Namen der Opfer rechter Gewalt: Es sind wie in der Bundesrepublik Linke, Punker*innen, Migrant*innen oder auch Vertreter*innen sexueller Minderheiten.

Wie in vielen anderen Ländern modernisierte sich auch in Spanien die rechte Bewegung in den vergangenen beiden Jahrzehnten. Die offene Franco-Verherrlichung tritt in den Hintergrund. Stattdessen beginnen sich die Rechten in nationalen Stadtteilzentren nach dem Vorbild von Casa Pound in Italien zu organisieren und bieten nationalistische Unterstützung für in Not geratene Spanier*innen an. Schließlich gründet sich mit der Vox eine ultrarechte Partei, die nicht nur das Gründungsjahr 2013 mit der AfD gemeinsam hat.

Miquel Ramos: Antifascistas. Wie die spanische extreme Rechte seit den 1990er-Jahren bekämpft wird. Bahoe Books, Wien 2025, 544 Seiten, 26 Euro

Miquel Ramos: Antifascistas. Wie die spanische extreme Rechte seit den 1990er-Jahren bekämpft wird. Bahoe Books, Wien 2025, 544 Seiten, 26 Euro

Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Spanien die vielzitierte Brandmauer zwischen Rechtskonservativen und Ultrarechten nicht. Vox ist in mehreren spanischen Provinzen Teil der Regierung, und wenn es nach den spanischen Parlamentswahlen die Mehrheitsverhältnisse erlaubt hätten, wären die Konservativen der Partido Popular (PP) auch ein Bündnis mit Vox eingegangen.

Für Ramos ist klar, dass auch die Antifabewegung neue Wege gehen muss. Die Verhinderung von rechten Aufmärschen auf der Straße steht heute nicht mehr an erster Stelle. Ramos beschreibt, dass viele Antifaschist*innen sich aktuell in Stadtteil-initiativen organisieren, bei denen es allerdings anders als bei den Rechten, keine Ausgrenzung nach der Herkunft der Menschen, die sie unterstützen, gibt. Das Engagement in Gewerkschaften oder Bündnissen gegen Zwangsräumungen sieht Ramos ebenfalls als praktischen Antifaschismus. Dadurch werde eine Basis mit großen Teilen der Bevölkerung geschaffen, die nötig ist, um die Rechten effektiv bekämpfen zu können. Auch über Kritik und Selbstkritik in der antifaschistischen Bewegung Spaniens informiert Ramos.

»Mitte der 1990er Jahre schlossen sich Aktivist*innen der Koordination des Kollektivs Lucha Autonoma zusammen, weil sie sich darüber empörten, dass auf antifaschistischen Demonstrationen häufig homophobe, prostituiertenfeindliche und chauvinistische Äußerungen zu hören waren, und es schien unmöglich, eine antiautoritäre und antisexistische Kritik am Antifaschismus zu verbreiten« (S. 473), heißt es in der Erklärung unter der Überschrift »Sexismus ist auch Faschismus«.

Mehrmals geht Ramos auf Naziaktionen und den antifaschistischen Widerstand in Deutschland ein. Schließlich gibt es seit Jahren gute Kontakte zwischen Antifaschist*innen in Deutschland und Spanien. Ramos thematisiert im Buch ebenso zahlreiche staatliche Repressionsfälle gegen aktive Antifaschist*innen Spaniens in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Einige waren auch in Deutschland bekannt geworden.

Wer das anarchistische Stadteilzentrum in Valencia besucht, wird dort auf das Rukeli-Fitness-Studio stoßen. Es wurde nach dem deutschen Sinto-Boxer Johann Wilhelm Trollmann, genannt Rukeli, benannt, der 1933 den Titel im Halbschwergewicht gewann und zehn Jahre später von den Nazis im Konzentrationslager Neuengamme ermordet wurde. Sein Schicksal haben in Berlin Antifaschist*innen vor einigen Jahren bekannt gemacht. Dass ihre Arbeit jetzt auch in Valencia gewürdigt wird, ist ein schönes Beispiel für eine transnationale antifaschistische Gedenkarbeit.