Unbedingter Drang

geschrieben von Janka Kluge

6. Mai 2025

»Feuerdörfer«: Überlebende berichten über die Wehrmachtsverbrechen in Belarus

50 Jahre, nachdem das Buch »Feuerdörfer« in der Sowjetunion erschienen ist, hat der Aufbau Verlag eine deutsche Ausgabe herausgebracht. Das Buch wurde von den Literaturwissenschaftlern und Schriftstellern Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik herausgegeben. Thomas Weiler bekam für die Übersetzung den Preis für die beste Übersetzung der Leipziger Buchmesse verliehen.

Der Titel steht für die Dörfer in Belarus, die von den Nazis niedergebrannt worden sind. Zuerst als sogenannte Strafaktionen bei Unterstützung von Partisanen, später als Teil der im Generalplan Ost vorgesehenen Vernichtung der slawischen Bevölkerung. Die drei Buchautoren waren selbst Überlebende des Holocaust und allesamt Partisanen. Die Slawistin und Kulturwissenschaftlerin Nina Weller beschreibt in einem Nachwort exklusiv für die deutsche Ausgabe, das als Vorwort sicher geeigneter gewesen wäre, ihre Motivation, für das Buch zu schreiben: »Alle drei verband die Erfahrung des Krieges und des Partisanenkampfs sowie der unbedingte Drang, die traumatisierenden Erinnerungen der belarussischen Zivilbevölkerung als Teil des kollektiven belarussischen Gedächtnisses in die sowjetische Literatur zu integrieren.« (S. 577)

Die Autoren reisten für das Buch in 300 Dörfer und führten 147 Interviews mit Überlebenden. Diese Gespräche setzten sie nach Themen zusammen. Es heißt: »In 4.885 belarussischen Dörfern haben die Henker gezielt Menschen umgebracht. Nach vorsichtigen Schätzungen wurden in diesen Dörfern mehr als 300.000 Zivilisten lebendig verbrannt und qualvoll getötet. (…) Die belarussischen Feuerdörfer waren die Vorstufe zur Umsetzung der Pläne und Absichten, die nicht nur uns betrafen, nicht nur das sowjetische Volk. Und nicht einmal nur die Slawen.« (S. 525)

Ales Adamowitsch, Janka Bryl, Uladsimir Kalesnik: Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten. Aufbau Verlag, 2024, 584 Seiten, 39 Euro

Ales Adamowitsch, Janka Bryl, Uladsimir Kalesnik: Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten. Aufbau Verlag, 2024, 584 Seiten, 39 Euro

In dem Buch werden nicht nur die Massenmorde der Nazis und der Ablauf der frühen Shoah durch die Einsatzgruppen geschildert, sondern auch der Widerstand, den die verschiedenen Einheiten der Partisanen geleistet haben. »Die Faschisten fah-ren mit ihrer Vernichtung der Bevölkerung fort, jetzt unter dem Deckmantel der Bandenbekämpfung und sogar der ›Selbstverteidigung‹. Aber die Partisanen verhindern, dass sie dieser ›Arbeit‹ in noch größerem Stil nachgehen können, es sind so viele, dass es auf der Gegenseite an Kräften für die Umsetzung des Plans mangelt: Straßen, Städte, wichtige Objekte müssen gegen die Angriffe der Partisanen gesichert werden.« (S. 527)

Die in dem Buch gesammelten Berichte der Überlebenden sind eine schwere Lektüre. Immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, weil mich das Lesen zu sehr belastet hat. Michael Paulawitsch Branawitzki aus einem Dorf bei Minsk berichtet: »Meine ganze Sippschaft. 26 Seelen haben sie versammelt: Alte, Kinder (…) haben uns in die Scheune getrieben und befohlen: ›Betet zu Gott!‹ Manche beten, manche … ›Nehmt Abschied‹. Ja da heben wir Abschied genommen. Sehen Sie, das war ein Weinen, ein Elend«.