Umbenennung erkämpft

geschrieben von Martin Hornung

6. Mai 2025

Endlich »Sophie-Berlinghof-Platz« in Heidelberg: NSDAP-Mitgliedern Namensgebung entzogen

Ein 2006 nach dem vormaligen Nazianhänger Karl Kollnig (1910–2003) benannter Platz im Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim trägt künftig den Namen der Antifaschistin Sophie Berlinghof. Dies hat der Gemeinderat der Stadt Ende Februar beschlossen. Kollnig war bis 1975 Prorektor an der Pädagogischen Hochschule (auch eifriger Verfechter von Berufsverboten für Linke, von dort gab es mehr als 50 Betroffene). Vier Jahrzehnte zuvor war er SA- und NSDAP-Mitglied, verfasste völkische Schriften. Eine von der Stadt eingerichtete Straßenkommission setzte ihn auf eine Liste von neun Personen, bei denen aufgrund von »Naziverstrickungen« Umbenennungen erfolgen sollten.

Ende 2023 reichte ein Mitglied der Linken den Vorschlag ein, den Karl-Kollnig-Platz nach der Antifaschistin und Kommunistin Sophie Berlinghof zu benennen, beigefügt ihr von der VVN-BdA-Kreisvereinigung erstellter Lebenslauf. Sophie stand schon mit 22 Jahren im kommunistischen Widerstand, Vater Karl Kuhn und ihr späterer Mann Hans Berlinghof waren in der KPD. 1933 wurde Sophie von den Nazis zeitweise in »Schutzhaft« im Gefängnis »Fauler Pelz« genommen. Von 1947 bis zum Verbot 1956 war sie für die KPD im Gemeinderat und auch danach für ihr soziales Engagement beliebt. Ihr kleiner Obstladen in Handschuhsheim, wo sie über 80 Jahre wohnte, war Anlaufstelle für die Bevölkerung. Als langjährige Sprecherin der örtlichen VVN führte sie bis ins hohe Alter Stadtrundgänge durch, berichtete über die Gräueltaten der Nazis und den Widerstand gegen Faschismus und Krieg.

Die Stadtverwaltung versuchte zu verhindern, den Vorschlag überhaupt auf die Tagesordnung der Gremien zu nehmen. Nachdem VVN-BdA und Die Linke darüber informiert hatten, unterstützten im Bezirksbeirat am 7. November letzten Jahres auch eine SPD-Vertreterin und der Stadtteilvereinsvorsitzende den Antrag. Verantwortliche der Stadt griffen zur »Extremismus«-Keule und erklärten in unsäglicher »Hufeisen«-Manier: »Personen, von denen Positionen bekannt sind, die im Widerspruch zu seit 1918 in Deutschland verwirklichten demokratischen Wertvorstellungen stehen, kamen für eine Neubenennung nicht in Frage. Ausschlaggebend bei Sophie Berlinghof war ihr Engagement in der KPD, einer Partei, welche die Weimarer Republik bekämpft hat, wie das auch die NSDAP tat«. Obwohl von drei Namensvorschlägen nur Berlinghof »Ortsbezug« aufwies, gab es knapp ein Nein.

Mitte Januar führten Stolperstein-Initiative und VVN-BdA in der Volkshochschule eine Veranstaltung »Wer war Sophie Berlinghof?« mit 50 Teilnehmenden durch. Die Stadt legte nach: Als einzigen von 16 Vorschlägen versah sie den zu Berlinghof mit einer »Stellungnahme«, voll weiterer Ungeheuerlichkeiten: Sie sei »Staatsfeindin«, habe »durch ihre aktive Mitgliedschaft in der KPD und DKP Verbrechen unter Stalin und des Kommunismus bagatellisiert«. Der von SPD und »Die Linke/Bunte Linke« eingebrachte Antrag erhielt auch im Haupt-ausschuss des Gemeinderats am 5. Februar keine Mehrheit.

Vier Tage vor der Gemeinderatssitzung nahmen am 16. Februar 2025 etwa 30 Interessierte am zweistündigen »antifaschistischen Stadtrundgang auf den Spuren von Sophie Berlinghof« teil; unter der Forderung: »Statt ›Karl-Kollnig-Platz‹ (Nazi-Anhänger) – ›Sophie-Berlinghof-Platz‹ (Antifaschistin).« Hier vor der alten Universität Heidelberg, von der 1933 die Nazis 28 Mitglieder der »Roten Studentengruppe« relegierten, darunter Zahnmedizinstudentin Sophie. Fotos VVN-BdA Heidelberg

Vier Tage vor der Gemeinderatssitzung nahmen am 16. Februar 2025 etwa 30 Interessierte am zweistündigen »antifaschistischen Stadtrundgang auf den Spuren von Sophie Berlinghof« teil; unter der Forderung: »Statt ›Karl-Kollnig-Platz‹ (Nazi-Anhänger) – ›Sophie-Berlinghof-Platz‹ (Antifaschistin).« Hier vor der alten Universität Heidelberg, von der 1933 die Nazis 28 Mitglieder der »Roten Studentengruppe« relegierten, darunter Zahnmedizinstudentin Sophie. Fotos VVN-BdA Heidelberg

VVN-BdA und Linke widerlegten daraufhin die verleumderischen Behauptungen in einem breit verteilten Flugblatt. Die Kreisvorstände von DGB und GEW erklärten vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung ihre Unterstützung. Mitte Februar fanden zwei »Stadtrundgänge auf den Spuren von Sophie Berlinghof« statt. Die Zahl der Artikel in der örtlichen Presse stieg in drei Monaten auf sechs, die Leserbriefe für Sophie auf zwölf, einer mit Thomas-Mann-Zitat (1943): »Der Schrecken vor dem Wort Kommunismus, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, ist die Grundtorheit unserer Epoche.« Im Gemeinderat verwahrte sich am 20. Februar in der Fragestunde ein Großneffe von Sophie gegen die Herabwürdigung seiner Verwandten. Eine Linken-Stadträtin verlas seinen vollständigen Brief an das Gremium: Die Anwürfe hätten die Angehörigen tief getroffen. Sophie Berlinghof sei vor 25 Jahren anlässlich ihres 90. Geburtstags von der damaligen Oberbürgermeisterin geehrt, in der Presse als »Vorbild für alle« bezeichnet worden. Sie habe die Benennung verdient.

Linke/Bunte Linke, SPD und der Einzelstadtrat der Grün-Alternativen-Liste brachten den Vorschlag erneut ein, beantragten zusätzlich eine Straßenumbenennung in der Weststadt nach dem Widerstandskämpfer Emil Henk (anstatt des Naziunterstützers Friedrich Endemann). Emil Henk (SPD) hatten die Nazis 1943 für 20 Monate ins Gefängnis gesteckt.

Die AfD halluzinierte von »Bildersturm« und »Auslöschung der Geschichte«. Die CDU heuchelte »Respekt für Frau Berlinghofs Wirken«, man könne aber »das Gedenken von NS-Opfern nicht mit dem Gedenken an die Opfer des Stalinismus vereinbaren«. Emil Henk erhielt nur drei Gegenstimmen (Enthaltung eine). Nach scharfer Debatte stimmten 22 (der 42 Anwesenden) auch für Sophie: Linke/Bunte Linke (drei), SPD (sechs), die Einzelstadträte von GAL und »Die Partei« sowie unter dem Eindruck der breiten Bewegung in der Bevölkerung die größte Fraktion der Grünen (Gegenstimmen und Enthaltungen je zehn). Der Antikommunismus hat eine Schlappe erlitten, Antifaschismus und Erinnerungsarbeit wurden gestärkt.