Kein »besinnlicher Ort«

geschrieben von Werner Jung

10. Januar 2014

Die ehemalige Hinrichtungsstätte im Innenhof des Kölner EL-DE-Hauses

 

Der Innenhof in dem von der Gestapo genutzten EL-DE-Haus in Köln ist ein bedrückender Ort. Er war Teil der Hinrichtungsstätte, in der von Herbst 1944 bis März 1945 mehrere hundert Häftlinge ermordet wurden. Hingerichtet wurden vor allem »fremdvölkische Personen«. Die Hinrichtungen wurden zumeist durch Erhängen, selten durch Erschießen vollzogen. Der Galgen stand hinter dem Gebäudekomplex Elisenstraße 3-9, wo sich heute ein Garten befindet. Die Opfer wurden über den Innenhof zum Galgen geführt, vom Innenhof aus wurden die Leichen abtransportiert. Hier fanden außerdem Misshandlungen und Gewaltverbrechen statt.

Hof mit Spiegeln. Foto: NS-DOK, Jörn Neumann

Hof mit Spiegeln. Foto: NS-DOK, Jörn Neumann

Dass mitten im Herzen der Stadt derartige Verbrechen passiert sind, ist in Köln nicht sonderlich bekannt. Über Jahrzehnte hinweg befand sich der Innenhof in einem unwürdigen Zustand. Dort, wo die Gestapo über 400 Häftlinge ermordete, standen Müllcontainer und parkten Autos. Über Jahre hinweg ist von uns gefordert worden, diesen Schandfleck zu beseitigen und diesen Ort würdig zu gestalten und als Gedenkort in die Gedenkstätte Gestapogefängnis einzubeziehen. Mit großem Interesse hat sich der Kulturausschuss der Stadt Köln des Themas angenommen und Ende 2008 ist es gelungen, einen einstimmigen Beschluss des Rates zur Anmietung der bis dahin von einer Galerie genutzten Räumlichkeiten zu erreichen. Im August 2012 zog der bisherige Mieter aus. Nunmehr konnte der Innenhof als ein zentraler Ort des Gedenkens in die national und europaweit einzigartige Gedenkstätte Gestapogefängnis einbezogen und öffentlich zugänglich gemacht werden. Nun schließt sich der Kreis: 32 Jahre nach Einweihung der Gedenkstätte Gestapogefängnis gehört der Innenhof dazu.

Am Sonntag, den 8. Dezember 2013, wurde unter reger Anteilnahme der Bevölkerung ein Denkmal im Innenhof eingeweiht. Der Hinrichtungsort erhielt durch eine künstlerische Gestaltung als Gedenkort eine würdige Form. Thomas Locher, international einer der bekanntesten konzeptuell arbeitenden Künstler, hat einen ungewöhnlichen, spektakulären Entwurf verwirklicht. Der Innenhof wird weder umgewandelt oder ergänzt und dennoch auf eine überraschende Weise vollkommen neu erfahrbar. Durch eine Rundumverspiegelung der Wände werden die Besucherinnen und Besucher, sobald sie aus der Gedenkstätte auf den Innenhof treten, mit etwas konfrontiert, was sie vielleicht am wenigsten erwartet haben: mit sich selbst und der heutigen Situation – und an diesem Ort zwangsläufig auch mit der Geschichte des Ortes.

Die Übersetzung des kyrillischen Textes lautet: »Hier bei der Gestapo / haben zwei Freunde gesessen aus / dem Lager Messe seit dem 24.12.44, Kurow Askold und Gaidai Wladimir, / jetzt ist schon der 3.2.45. Heute ist der 3.2., 40 Leute wurden gehängt. Wir haben schon 43 Tage gesessen, das Verhör geht zu Ende, jetzt sind wir / mit dem Galgen an der Reihe. Ich bitte diejenigen, die uns kennen, / unseren Kameraden auszurichten, dass auch wir in diesen Folterkammern / umgekommen sind / Heute ist der 4.2.45, 5.2., 6.2., 7.2., 8.2.45, 9.2., 10.2.« Die Inschrift wurde von Askold Kurow verfasst. Sie befindet sich in Zelle 1. Foto: RBA, Marion Menniken

Die Übersetzung des kyrillischen Textes lautet: »Hier bei der Gestapo / haben zwei Freunde gesessen aus / dem Lager Messe seit dem 24.12.44, Kurow Askold und Gaidai Wladimir, / jetzt ist schon der 3.2.45. Heute ist der 3.2., 40 Leute wurden gehängt. Wir haben schon 43 Tage gesessen, das Verhör geht zu Ende, jetzt sind wir / mit dem Galgen an der Reihe. Ich bitte diejenigen, die uns kennen, / unseren Kameraden auszurichten, dass auch wir in diesen Folterkammern / umgekommen sind / Heute ist der 4.2.45, 5.2., 6.2., 7.2., 8.2.45, 9.2., 10.2.« Die Inschrift wurde von Askold Kurow verfasst. Sie befindet sich in Zelle 1. Foto: RBA, Marion Menniken

Dieser Ort spiegelt im wahrsten Sinne des Wortes nicht allein das damalige Geschehen, sondern auch den Umgang der Gesellschaft mit ihm nach 1945. Zudem öffnet die Verspiegelung den Raum in die Umgebung, macht deutlich, dass hier nicht etwas strikt Verborgenes stattfand, sondern etwas, das zu sehen war. Dies zeigt, wie dieser Ort in die Stadtgesellschaft hineinwirkte und hineinwirkt.

Thomas Locher meint zu seinem Kunstwerk: »Die Idee der Neugestaltung ist es, den einerseits gewöhnlichen und gleichermaßen besonderen Innenhof als einen ‘spezifischen’ Ort zu markieren … Der Innenhof bleibt in seinen Dimensionen fast erhalten; aber er wird nicht mehr dieselbe Sichtbarkeit haben. Durch die Spiegelung wird der Innenhof zum Verschwinden gebracht, obwohl er räumlich präsent bleibt. Keine auratische Stimmung soll hervorgerufen werden. Es soll kein besinnlicher Ort werden, aber ein Ort der Besinnung«.

Möge das Denkmal dazu beitragen, dass diese Verbrechen vor unserer Haustüre stärker ins Bewusstsein gerückt werden und dass deren Opfer nicht länger vergessen werden.