Editorial
9. November 2015
Es gibt »Sommermärchen« mit kürzerer und längerer Laufzeit. Während uns das vom Fußball-WM-Ball, der in deutschen Landen besonders rund und anständig gerollt sein soll, immerhin neun Jahre lang begleiten durfte, hat es das 2015er Märchen von der überwältigenden »Willkommenskultur« hierzulande gerade mal auf etwas über einen Monat gebracht. Seither stehen die Realitäten wieder schroff im Raum und viele Flüchtlinge oft im Freien, vor Abschiebe-Zentren und nicht selten vor der Verzweiflung.
Fürs Fußball-Thema fehlte es uns an Sachverstand und aktuellen antifa-Bezügen. Beim anderen, das derzeit in vielen Medien mit dem neuen, seltsam schwammigen, beim genaueren Hinsehen aber die Genannten wohl doch diskreditierenden Begriff »Flüchtlingskrise« belegt wird, bemühen wir uns in dieser Ausgabe der antifa, es von unterschiedlichen Blickwinkeln aus ein wenig auszuleuchten.
Dies kann nur ohne Anspruch auf Vollständigkeit geschehen, aber unter besonderer Berücksichtigung von Personen, Parteien, Gruppierungen und politischen Strömungen, die nicht nur hierzulande lautstark und immer gewalttätiger versuchen, Angst zu verbreiten und öffentliche Diskurse an sich zu reißen. Und demokratischen Errungenschaften, einst Resultate aus den Erfahrungen mit Faschismus und Krieg, den Garaus zu machen. Eine Bezeichnung, die für solcherart Aktivisten dezent wohlwollend erfunden wurde und immer öfter zu lesen und zu hören ist, sollte unbedingt in die Warteliste fürs »Unwort des Jahres« aufgenommen werden: »Asylgegner«.
Im »Spezial« dieser Ausgabe, auf den Geschichts-Seiten, unter »Internationales« und auch im Kulturteil viele historische Hintergründe und Bezüge zu dem, was uns heute beschäftigt. Von einer ausführlichen Schilderung des Entstehens und der Auswirkungen der antisemitischen und rassistischen Nürnberger Gesetze bis zu Erinnerungen an Fritz Bauer und den Auschwitz-Prozess und an zahlreiche weitere Menschen, die sich in aller Welt dem Faschismus entgegen stellten und stellen.