Wie rechts ist Simon Strauss?
1. April 2018
Die Antwort findet sich in seinem Buch »Sieben Nächte«
Seit einigen Monaten wird in deutschen Zeitungen ein Streit über die Frage geführt, ob Simon Strauss ein rechter Autor ist. Auf der einen Seite der Auseinandersetzung steht die Taz, auf der anderen beinahe die ganze Kulturgemeinde. Der 1988 geborene Simon Strauss ist als Ressortleiter des Feuilletons der FAZ jetzt schon ein Schwergewicht in der Kulturszene Deutschlands. Um es vorweg zu sagen, Simon Strauss ist ein sprachgewaltiger Wortkünstler. Sein Buch »Sieben Nächte« hat mich gefesselt. Aber kann die Sprache eines Menschen unabhängig davon betrachtet werden, was er sagt? Meiner Meinung nach steht der Inhalt sogar über der Sprache. Große Literatur entsteht, wenn beides zusammenkommt.
Die Geschichte, die Simon Strauss in dem Buch »Sieben Nächte« erzählt, ist die Geschichte einer Suche. Einer Suche nach dem Sinn des Lebens.
»Sehnt ihr euch nicht manchmal auch nach wilderem Denken? Nach Ideen ohne feste Ordnung, Utopien ohne berechenbaren Sinn, nach Ecken und Kanten, an den ihr euch stoßen könnt? Schämt ihr euch nicht keine Antwort zu haben auf die Frage, ›Was für eine Meinung vertrittst du, die nicht auch die Mehrheit teilt?‹ Dabei geht es nicht um Provokation, sondern Bewusstsein. Darum zu begreifen, wo man steht und mit wem man den Standort teilt.« (S.17)
Auf seiner Suche begegnet ihm einer, der ihm zuhört, ihm sagt, dass er weiß was ihm fehlt. Er will ihn in sieben Nächten zu sieben Todsünden führen, damit er sich in einer wohlfühlt, oder sich »für immer von ihnen abkehrt«. Es ist ein altes Motiv der Literatur, das Simon Strauss in seinem Buch variiert. Die bekannteste Version findet sich in Goethes Faust mit dem berühmten Satz: »Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!« In der Erzählung beschreibt Strauss dann die sieben Nächte mit den sieben Todsünden.
Allerdings haben seine Todsünden nichts mit den berühmten, von der katholischen Kirche im Mittelalter formulierten, zu tun. Es ist durchaus spannend zu lesen, wie Simon Strauss diese vermeintlichen Vergehen in sein Leben transportiert. In der ersten Nacht setzt er sich dem Hochmut aus und kommt zu dem Ergebnis, dass sein Leben bis jetzt sinnlos war, weil er sich nicht zum Kampf entschließen konnte. »Dabei ist doch gerade jetzt höchste Zeit, `so geht es nicht weiter´ zu rufen. Damit in die glasig-blassen Augen der Gegner die alte, feurige (nicht die neue, dumpfe) Wut zurückkehrt. Ich könnte ein Anstifter sein. Könnte vorn auf der Tribüne stehen und die richtigen Reden halten.« (S.36)
Um zu verstehen, was Strauss da schreibt, muss es übertragen werden. Die »neue, dumpfe Wut« sieht er bei Pegida und der AfD. Diese Wut auf geflüchtete Menschen und alle die anders sind, genügt ihm nicht. Er fordert stattdessen, dass die »alte, feurige« Wut zurückkehrt. Ich glaube nicht, dass ich ihn falsch verstanden habe, er sehnt sich nach dem Faschismus. Bei der Völlerei kehrt er in ein Luxusrestaurant ein und macht sich Gedanken darüber, warum er so gern Fleisch ist. Er sieht sich als einen,der wird, aber noch nicht ist. »Jemand, der nicht das nachmacht, was andere ihm vormachen, der selbst einen Ton findet. Der eigene Überzeugungen hat, sie gegen andere verteidigt, sich traut den Mund aufzumachen, auch wenn er in der Minderheit ist.« (S.47)
Simon Strauss wird auch vorgeworfen, dass er Götz Kubitschek, den Vordenker und Strategen der Neuen Rechten und von Gruppen wie den Identitären, einmal in seinen literarischen Salon nach Berlin zu einem Gespräch eingeladen hat. Es scheint mir, als habe er die Begegnung mit ihm im Kapitel über den Zorn beschrieben. »Im Auto neben mir sitzt der, in dem ich mich spiegele. Kein Freund, kein Fremder. Ein Mensch dazwischen.« In einem Artikel in der taz ist über den Abend zu lesen:
»Interessant nun, was Kubitschek über diesen Abend im Strauß’schen Salon zu berichten hat. In seiner hauseigenen Zeitschrift Sezession schreibt er: Der Plan sei gewesen, uns – die Rechtsintellektuellen – den Teilnehmern des ‚Jungen Salons‘ vorzustellen und zugleich auszusetzen. Ein Impulsreferat sollte in eine Diskussion über unsere metapolitische Haltung und Denkweise münden.«
Und es schien als hätten sich die Beteiligten blendend verstanden. Genau wie Kubitschek sieht Strauss die Zukunft in der zum Glück untergegangenen Welt. »Immer wenn ich an dieses Früher denke, packt mich der Neid. (…) Niemand wünscht sich einen Krieg, aber die Chance des Neuanfangs, der Gründerzeit, der Wunderkinder, von der darf man doch träumen.« (S.91)
Gleich am Anfang des Buches formuliert Strauss die Hoffnung, dass der Weg weiter nach rechts geht. »Und ich denke, ich hoffe, dass jetzt doch noch was kommt. Schnell, bevor es zu spät ist. Noch habe ich keinen Ruf zu verlieren.« (S.12)
Mit dem Buch hat Simon Strauss keinen Ruf verloren, sich aber einen erarbeitet. Er ist der rechte Intellektuelle, der die AfD und Pegida in die Feuilletons hebt und von einem neuen Faschismus träumt. Völlig unverständlich ist für mich, dass das Buch bei »Blumenbar« erschienen ist, einem Verlag, der zur Aufbau Gruppe gehört. Janka Kluge