Fest am rechten Rand
10. April 2018
Österreichische Burschenschaften waren Kerntruppen des Nationalsozialismus
»Arminia«, »Germania«, »Teutonia« – so oder ähnlich heißen die in Universitätsstädten wie Wien, Graz oder Innsbruck aktiven völkischen Burschenschaften in Österreich. Es gibt deren etwa hundert, nicht nur für Studenten, sondern auch für Schüler der sog. Oberstufe (ab 9. Schuljahr). Jörg Haider (»Silvania Wien«) war einer, HC Strache (»Vandalia«) ist einer, und viele Minister, Abgeordnete und Spitzenkräfte der FPÖ sind Burschenschafter.
Nach dem »Anschluss« 1938 wurden die Burschenschaften aufgelöst, es war ihren Mitgliedern jedoch ein Leichtes, sich in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund zu integrieren. Man kann die »ostmärkischen« Burschenschaften mit Recht als die Kerntruppen des österreichischen Nationalsozialismus bezeichnen. Ernst Kaltenbrunner, Leiter des Reichssicherheitshauptamts, war »Alter Herr« der »Arminia Graz«, Hugo Jury, Gauleiter von Niederdonau, hatte in seiner Jugend in der »Ghibellinia Prag« gefochten und Friedrich Rainer, Gauleiter von Kärnten und Salzburg, in der Grazer Verbindung »Ostmark«.
»In Summe stehen die österreichischen Burschenschaften sicher rechts von den deutschen«, erklärt der Zeithistoriker Bernhard Weidinger. »Das liegt vor allem daran, dass sie politisch-ideologisch weit weniger heterogen sind. In Deutschland gibt es doch eine gewisse Streuung, von liberalen bis hin zu rechtsextremen Positionen. In Österreich stehen und standen die Verbindungen seit 1945 immer und weitgehend geschlossen am rechten Rand des Verbindungswesens.«
»Ehre, Freiheit, Vaterland«, der Wahlspruch der Jenaer Urburschenschaft von 1815, markiert die Wertetrias der Korporierten bis heute. Mit »Vaterland« ist für viele nicht die Republik Österreich gemeint.
Vereinbar mit der parlamentarischen Demokratie?
Die extreme Rechte insgesamt, aber auch die Burschenschaften, haben sich mit der parlamentarischen Demokratie weitgehend arrangiert. Die parlamentarische Demokratie wird nicht mehr abgelehnt, man kann aber von einer gewissen Demokratie-Skepsis sprechen. Ein Punkt wäre der burschenschaftliche Elitarismus, mit dem man auch ein gewisses Ressentiment gegen »die Masse«, also letztlich den demokratischen Souverän verbindet. Ein zweiter Punkt wäre der völkische Nationalismus und damit verbunden die Infragestellung des Gleichheits-Postulats. Manche Völker, vor allem die »germanischer Abkunft«, wären aus burschenschaftlich-nationalistischer Sicht »minderwertigeren, weniger durchsetzungsfähigen Völkern« überlegen. Der dritte Punkt, der die völkischen Burschenschaften in ein Spannungsfeld zu demokratischen Prinzipien bringt, ist das Strukturprinzip des Männerbunds, das neben dem völkischen Nationalismus den Wesenskern der Burschenschaften darstellt. Das Männlichkeitsbild der Burschenschaften kreist um Werte wie Stärke, Durchsetzungsfähigkeit, Härte. Weiblichkeit wird in Verbindung gebracht mit Schwäche und Abhängigkeit. Vor dem Hintergrund dieser rigiden Geschlechterbilder gelten feministische und emanzipatorische Bestrebungen im burschenschaftlichen Denken als Versündigung an der Natur.
Gesellschaftlicher Höhepunkt dieses Milieus ist der alljährlich Ende Januar stattfindende »Akademikerball« in der Wiener Hofburg. Unappetitlich wird es dann, wenn der Termin auf den 27. Januar fällt (Internationaler Holocaustgedenktag). Die Beteiligung von Ministern am Ball der schlagenden Burschenschaften war und ist ein verheerendes Signal, das die Botschaft aussendet, dass all die Dinge, für die rechtsextreme Burschenschaften stehen, angefangen von Rassismus, Antisemitismus und Homophobie bis hin zu Sexismus und Demokratiefeindlichkeit, unter staatlichen Ehrenschutz gestellt werden. Vor und während des Balles demonstrierten in diesem Jahr bis zu 10.000 Menschen, vor allem Antifaschisten und Antifaschistinnen. Negativer aktueller Anlass waren von der Zeitschrift »Falter« enthüllte antisemitische Textpassagen im Liederbuch der Mittelschüler-Burschenschaft »Germania zu Wiener Neustadt«, deren stellvertretender Vorsitzender FPÖ-Niederösterreich-Spitzenkandidat Udo Landbauer war (Landtagswahl am 28. Januar). Die »Liederbetätigung« fand europaweite Beachtung und Entsetzen. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner abwärts wurde Landbauer zum Rücktritt aufgefordert, was letztlich geschah. Respekt vor der klaren Haltung von Bundeskanzler Kurz in dieser Frage. HC Strache sah sich genötigt, beim Akademikerball ein klares Statement gegen Antisemitismus abzugeben. Ob’s was nützt?
Nicht zu verwechseln oder in einen Topf zu werfen sind die Burschenschaften mit den katholischen farbentragenden österreichischen Studentenverbindungen, die im Österreichischen Cartellverband (ÖCV bzw. CV) zusammengefasst sind. Der CV ist allerdings auch kein Hort des Fortschritts, das Weltbild vieler seiner Mitglieder ähnelt jenem der CSU.