Vom Berufsverbot betroffen
30. Mai 2019
Abendakademie Mannheim zeigt die Ausstellung »Vergessene Geschichte«
Die Berufsverbote-Wanderausstellung wurde in Zusammenarbeit mit DGB Nordbaden und IG Metall Mannheim bis 7. Mai an der Abendakademie gezeigt. Rund 90 Teilnehmer kamen am 20. März zur Eröffnungsveranstaltung, darunter der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch und zwei Vertreterinnen eines Forschungsteams zum Radikalenerlass an der Uni Heidelberg.
Nach der Eröffnung durch die Akademie-Abteilungsleiterin und den DGB-Regionsgeschäftsführer Lars Treusch, hielt Rechtsanwalt Klaus Dammann (Hamburg) das Hauptreferat. Er war 1987 am Überprüfungsverfahren der Internationa-len Arbeitsorganisation (ILO) und 1995 am Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg beteiligt. Danach stellten die Berufsverbote eine unzulässige Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung dar und verstießen gegen die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Die Lehrerin Dorothea Vogt musste damals wieder-eingestellt und ihr eine Entschädigung von 223.000 DM gezahlt werden. In der Folgezeit hat das Bundesverfassungsge-richt die Entscheidung einfach ignoriert und keine weiteren Verfahren angenommen.
Für die baden-württembergische »Initiativgruppe 40 Radikalenerlass« berichtete ich in Mannheim über die Betroffenen im Rhein-Neckar-Raum, anhand von zwölf namentlichen Beispielen. Michael Csaszkoczy erläuterte die Ausstellung, Bernd Köhler trug ein Lied vor, das er vor 40 Jahren einem Betroffenen gewidmet hatte. In der Region wurden in den 70er Jahren rund 100 Berufsverbote verhängt. Hinzu kam 2004 die vier Jahre dauernde Nichteinstellung des antifaschistischen Lehrers Michael Csaszkóczy.
Die Ausstellung wurde seit 2015 in fast 50 Städten gezeigt, 2017 in Heidelberg zum ersten Mal an einer PH. Studentin-nen führten dort im Rahmen eines Seminars Interviews mit Zeitzeugen durch (zu sehen auf You Tube), Das Material fand Eingang in Examensarbeiten und wurde 2018 in einer PH-Schriftenreihe in 60 Seiten aufgearbeitet. Das Studieren-denparlament unterstützte die Betroffenen und ihre Forderungen in einer Resolution an den Landtag. Im November 2018 war die Ausstellung auch erstmals an einer Schule, in Kassel.
In Bremen und Niedersachsen (130 Betroffene) konnten 2014 und 2016 Beschlüsse der Landesparlamente für Rehabili-tierung erreicht werden. In Hamburg hat der Senat 2018 zumindest »Bedauern« ausgesprochen und »Aufarbeitung« zu-gesagt. In Baden-Württemberg wird die Initiativgruppe seit sechs Jahren ausgebremst, hauptsächlich durch den Grünen-Ministerpräsidenten Kretschmann (1975 als KBW-Mitglied zeitweilig selbst von Berufsverbot betroffen). 2016 hat er vor der Landtagswahl einen »Runden Tisch« von zwei Grünen- und einer SPD-Abgeordneten mit Betroffenen vor ei-nem Antrag im Landtag platzen lassen, obwohl er bereits 2012 schriftlich eine »wissenschaftliche Aufarbeitung« zugesagt hatte.
Bespitzelungen linker Oppositioneller wie Michael Csaszkóczy durch den sich »Verfassungsschutz« nennenden Inlands-geheimdienst laufen bis heute weiter. Im Herbst 2018 wurde der Lehrer nach einer Anzeige der AfD in einem bizarren Prozess wegen angeblichem »Hausfriedensbruch« in erster Instanz zu 1.600 Euro Geldstrafe verurteilt. Nachdem das Oberschulamt »disziplinarische Maßnahmen« ankündigte, haben die Heidelberger Vorsitzenden von DGB, GEW, ver.di und IG Metall öffentlich Csaszkóczys Freispruch gefordert und erklärt: »Wir fordern die Landesregierung vorsorglich auf, keine erneuten Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.«
Nachdem in den 70er Jahren noch Ausschlüsse vollzogen worden waren, haben sich die Gewerkschaftstage von GEW, ver.di und IG Metall seit 2012 in Beschlüssen den Forderungen nach Entschuldigung, Rehabilitierung und Entschädi-gung angeschlossen. Diese für die Betroffenen wichtige Unterstützung hat der IG Metall-Vorstand vor kurzem bekräf-tigt und in der Vorbereitung des Gewerkschaftstages im Oktober im Umsetzungsvermerk zum Beschluss von 2015 er-klärt: »Das öffentliche Interesse an dem Thema Berufsverbote wird durch die große Resonanz der Ausstellung unterstri-chen, die in vielen Gewerkschaftshäusern gezeigt wurde. Baden-Württemberg ist konkrete Fortschritte in der Aufarbei-tung schuldig geblieben. In Anbetracht der Aktualität und der nur langsamen Aufarbeitung in Deutschland werden die DGB-Gewerkschaften ihr Engagement aufrecht erhalten.«
»Berufsverbote-Hochburg« war die Pädagogische Hochschule (PH) Heidelberg. Bei den meisten der dort rund 50 abge-lehnten Lehrerinnen und Lehrer erfolgte sie mit der Begründung ihrer Kandidatur für linke Hochschulgruppen; aber auch Teilnahme an einer Demonstration gegen Fahrpreiserhöhungen oder die bloße Unterschrift unter eine Protesterklärung gegen den »Schieß-Erlass« (baden-württembergische Variante des Ministerpräsidentenerlasses von 1972, benannt nach dem damaligen CDU-Innenminister Karl Schieß, unter den Nazis als »Hakenkreuz-Karle« bekannt).