Neue braune Schollen
25. Januar 2020
Wie der Blut- und Boden-Mythos weiter lebt
Die beiden antifaschistischen Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit haben eine neue Recherche vorgelegt. Der Untertitel des Buches »Völkische Landnahme« zeigt die Stoßrichtung der Untersuchung. Immer öfter fallen Menschen, die in ländliche Gegenden gezogen sind, mit rechten Einstellungen auf. Diese Siedlungsbewegung hat mehrere Ursachen. Zum einen sind in vielen ländlichen Gebieten verlassene Bauernhöfe und Häuser günstig zu haben. Weil in vielen Kommunen die Entwicklung eher so ist, dass die Menschen in größere Städte ziehen, werden die neuen Einwohner oft freundlich begrüßt. Für viele Nazikader ist es eine neue Erfahrung, ungestört ihren Aktivitäten nachgehen zu können. Die nächste Antifagruppe ist oft viele Kilometer entfernt.
Es gibt für die neue Siedlungsbewegung aber noch einen anderen Grund. In der rechten Ideologie spielt die Natur seit jeher eine besondere Rolle. In der völkischen Bewegung wird schon immer eine besondere Verbundenheit der Menschen mit der heimischen Erde betont. Dieser »Blut und Boden« Mythos blieb auch nach dem Sieg über den Faschismus in Deutschland fester Bestandteil rechten Denkens. Doch erst mit dem Aufstieg der Neuen Rechten wurde er wieder salonfähig. Statt »Scholle« und »Blut und Boden« hieß er jetzt »Ethnopluralismus«. Gemeint war jedoch dasselbe. Menschen sollen nur dort leben, wo schon ihre Vorfahren zu Hause waren. Neue Familien sollen auch nur innerhalb dieser Grenzen gegründet werden. »Für die Völkischen, die Verfechter einer elitären deutschen Gesinnungsgemeinschaft spiegelt die angestrebte Lebensweise auf dem Lande die eigene Weltanschauung wider«, heißt es im Vorwort.
Hinter den Siedlungsbewegungen steckt nicht nur der Gedanke, auf dem Land ein sicheres Leben zu führen. Es geht auch darum, vom Land aus die Städte zu erobern und dadurch die Macht zu übernehmen. Vor etwa zwanzig Jahren zogen Mitglieder der NPD gezielt nach Mecklenburg-Vorpommern und fingen an, dort ihre Strukturen aufzubauen. In der Folge gelang es der Partei über zwei Wahlperioden, im Landtag von Schwerin vertreten zu sein. Dadurch konnten sie ihre Strukturen noch weiter ausbauen.
Die Kader der NPD waren nicht die einzigen, die aufs Land ausgewichen sind. Auch andere Rechte idealisieren das Landleben als Ort, wo sich völkisches, braunes Leben verwirklichen lässt. In dem Buch heißt es dazu: »In nahezu allen Bundesländern bestehen Ansiedlungen von Rechten, die gemeinsam ihre Kinder erziehen, sich vor Ort ökonomisch, sozial und politisch vernetzen.« Zu dem Netzwerk gehören auch die Mitglieder der Anastasia Bewegung, einer aus Russland kommenden, antisemitischen esoterischen Gruppe. In immer weiteren Bereichen bauen die rechten Siedler ihren Einfluss aus. Er reicht von den kommunalen Parlamenten, über Kindergärten bis zu Elternvertretungen an Schulen.
Nach der Zerschlagung der Naziherrschaft konnten einige ehemalige Mitglieder der NSDAP Teile ihrer Ideologie retten. Sie gründeten nach außen unverfängliche Gruppen, die sich dem Naturschutz widmen sollten. Ein Beispiel dafür ist das Collegium Humanum von Werner Georg Haverbeck und Ursula Haverbeck. 1963 gründete das Ehepaar eine Heimvolksschule unter dem Namen »Institut für angewandte Menschenkunde und Betriebspädagogik«. Der Name wurde 1968 in Akademie für Umwelt und Lebensschutz geändert. Die Akademie wurde unter dem Namen Collegium Humanum berühmt. In Vlotho betrieb das Ehepaar Haverbeck über 40 Jahre ein Seminarhaus mit 50 Betten. In dem Haus kamen über Jahre sowohl Mitglieder der Friedens- und Ökologiebewegung zusammen. Daneben trafen sich aber auch immer wieder Mitglieder rechter Gruppen dort. Nach dem Verbot der der FAP, kamen führende Mitglieder der Partei mindestens einmal in dem Haus zusammen, um über den Aufbau neuer Strukturen zu diskutieren.
Bei der Gründung der Grünen 1980 waren neben linken Gruppen auch rechte Ökobauern und Naturschützer beteiligt. Einer von ihnen war Baldur Springmann. Die Auseinandersetzung zwischen Fundis und Realos bei den Grünen in den achtziger Jahren war auch ein Kampf zwischen links und rechts.
Ein Kapitel des Buches ist der Zeitschrift »Umwelt & Aktiv« gewidmet. Deren Redaktion versucht, rechte Ideologien in die Umwelt – und Naturschutzbewegung hineinzutragen. In den ersten Jahren machten die Herausgeber aus ihrer Nähe zur NPD keinen Hehl. Mittlerweile versuchen sie, sich den Anschein eines unabhängigen Umweltmagazins zu geben. »Die Strahlkraft der Zeitschrift `Umwelt & Aktiv´ reicht längst über die rechtsextreme Szene hinaus. Autoren, die keine Verbindungen zu Rechtsextremen zu haben scheinen, aber bereit sind, für das wichtigste Öko-Organ der Szene zu schreiben, blenden aus, dass die Redaktion von der ersten Ausgabe an keinen Hehl aus ihrer politischen Ausrichtung gemacht hat.«
Die Analyse von Andrea Röpke und Andreas Speit ist wichtig in einer Zeit, in der überall über Umwelt- und Naturschutz diskutiert wird. Wie treffend sie ist, zeigen die Versuche einiger in dem Buch genannter Personen, durch kostspielige Abmahnungen sein Erscheinen zu verhindern.