Von wegen angepasst Elfriede Brüning – Feministin, Sozialistin, Antifaschistin
22. März 2020
Elfriede Brüning (1910-2014) war eine der beliebtesten Frauenautorinnen der DDR. Günter Kunert verstieg sich 2000 in der »Welt« dazu, sie »brave Parteigängerin des realen Idiotismus« zu nennen, die ihre »Hervorbringungen« angeblich »problemlos veröffentlichen« konnte. Dass ihre Bücher schon deshalb nicht aus der Literaturgeschichte zu streichen sind, weil sie zur »Bückware« zählten, also nur an Vorzugskunden verkauft wurden, entnimmt man einer Studie von Sabine Kebir. Sie durchforstete den Brüning-Nachlass, der im Dortmunder Fritz-Hüser Institut liegt, das eine bedeutende Sammlung von Literatur der Arbeitswelt pflegt.
Bei Kebir erfährt man, dass fast alle Bücher Brünings mit erheblichen Schwierigkeiten bei Verlagen und Medien zu kämpfen hatten. Sie waren keineswegs bloß Propaganda für die fortschrittliche Frauenpolitik der DDR, sondern dieser immer mehrere Schritte voraus. Brüning stritt sowohl mit nüchternen Reportagen, als auch mit belletristischen Werken für deren Weiterentwicklung. Der 1950 vom noch privaten Reclam-Verlag gedruckte Roman »Ein Kind für mich allein« wurde zum langjährigen Bestseller, obwohl er keinerlei Rezensionen erhielt. Denn die Familienpolitik der frühen DDR war ganz auf die Ehe orientiert und ignorierte die Liebesbedürfnisse der vielen, kriegsbedingt ehelos gebliebenen Frauen, von denen sich nicht wenige ein Kind »anschafften«.
Und heute ist kaum noch zu glauben, dass der 1955 erschienene Roman »Regine Haberkorn« im Neuen Deutschland durch die aufstrebende Kulturfunktionärin Marianne Lange hart abgekanzelt wurde: Der »volkseigene Betrieb«, in dem Regine gegen den Willen ihres Mannes arbeitete, stünde nicht im Vordergrund, sondern gebe nur die »zeitgemäße Kulisse« ab, »um einen ganz privaten Ehekonflikt abzuhandeln«, der in jeder anderen Zeit und überall in der Welt spielen könne. Da Frau Lange sicher wusste, dass die DDR damals zu den wenigen Ländern zählte, in denen Ehemänner ihren Frauen nicht verbieten konnten, arbeiten zu gehen, diente der Frontalangriff allein dem Hinweis, dass es in einem sozialistischen Betrieb nur Ehen auf der Basis der sozialistischen Moral geben könne.
Allein weil das Buch bereits in der Gewerkschaftszeitung Tribüne als Fortsetzungsroman samt begeisterten Leserbriefen aus der Arbeiterklasse gedruckt worden war, konnte es nicht aus dem Verkehr gezogen werden.
Genau das war jedoch dem vorherigen Buch Brünings geschehen. In »Vor uns das Leben« ging es um private und politische Konflikte von Studenten der Arbeiter- und Bauernfakultät. Laut einer Kritik hatte sie die Studenten »so dargestellt wie sie waren und nicht, wie sie sein sollten«. Die damalige Version des sozialistischen Realismus wollte es umgekehrt. Es war also nicht Hermann Kant, sondern Elfriede Brüning, die den ersten Roman über die Institution schrieb, die erstmals in der deutschen Geschichte das bürgerliche Bildungsmonopol brach. Auch spätere Werke setzte sie nur durch, weil sie eine zähe Kämpferin war.
Als »zu wenig klassenkämpferisch« beurteilte sie bereits der Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller. Aufgenommen wurde Brüning erst 1932, nach einem Jahr Probezeit, in dem sie Betriebsreportagen verfasste – am liebsten über Betriebe wie Kaufhäuser, in denen Frauen arbeiteten. Nicht nachgedruckt wurden auch drei der vier Romane, die Brüning zwischen 1934 und 1939 veröffentlichen konnte – obwohl sie sich ihrer keineswegs hätte schämen müssen. Es handelte sich zwar scheinbar um unpolitische »Unterhaltungsliteratur«, aber die Protagonistinnen setzten das offizielle Bild außer Kraft, womit die Nazis die Frauen auf Heimchen am Herd reduzierten: In wesentlichen Handlungssträngen trotzten sie ihren Partnern ab, auch in der Ehe berufstätig zu bleiben.
Kebir hat auch neue Facetten von Brünings illegaler Arbeit für den verbotenen BPRS und die Umstände ihrer mehrmonatigen Gestapohaft erforscht. Die ausführlichen Einblicke, die sie in »Briefe aus der Haft« gibt, offenbaren eindrücklich, dass Brüning schon damals jedem Angriff mit cooler Listigkeit entgegen trat – ohne einen Schritt von ihrer Geradlinigkeit abzuweichen.
Nur ihr 1949 erschienener, dem antifaschistischen Kampf von Hilde und Hans Coppi gewidmeter Roman »Damit du weiterlebst« wurde, der Nachfrage entsprechend, in der DDR kontinuierlich nachgedruckt. Günter Kunerts Abwertungen erweisen sich als elitäre Abwehr von Themenkreisen, die Patriarchen gern als »Weiberkram« abtun. Dieses Buch von Sabine Kebir ist ein Musterbeispiel für fesselnd-differenzierte Aufarbeitung von DDR-Frauen- und Literaturgeschichte und ihre historische Wurzeln. Überaus empfehlenswert, für neugierige Leserinnen und Leser, Brüning – Kenner und Nichtkenner, die davon ausgehen, dass die DDR anders war…