Die Spanier von Dresden
3. Dezember 2020
Wie Frankreich vor 70 Jahren mit ehemaligen Spanienkämpfern umging
Während in den offiziellen Einheits-Jubelfeiern immer wieder betont wurde, welch ein »Unrechtsstaat« die DDR gewesen sei, wird gern vergessen, welches Unrecht in den westlichen Staaten im Zuge des Kalten Krieges gegenüber Antifaschisten begangen wurde.
Anfang September 2020 erinnerte die Associació Catalana d′Expresos Polítics del Franquisme an die Deportation von Spanienkämpfern, die vor 70 Jahren unter dem Decknamen »Operation Bolero-Paprika« stattfand.
Der politische Hintergrund dieser Aktion gegen die republikanischen Kämpfer, die sich vor der franquistischen Verfolgung nach Frankreich und in andere westeuropäische Staaten retten konnten, war offenkundig. Seit 1948 wurden in Frankreich und anderen Ländern wie Belgien, Mitglieder der PCE, des PSUC, der Baskischen Kommunistischen Partei, der PCI und ihre Sympathisanten als mögliche Kollaborateure oder Spione im Dienste der Sowjetunion denunziert. Die Anschuldigungen, die sich auf Gerüchte und polizeiliche Komplotte stützten, bildeten die Grundlage für die »Operation Bolero-Paprika«, die von der französischen Regierung des Sozialisten René Pléven geleitet wurde.
Im Zuge der Aktion wurden antifaschistische Publikationen verboten und Organisationen für illegal erklärt, darunter PCE, PSUC, PC de Euskadi, Los Amigos de Mundo Obrero, Las Mujeres Antifascistas, Las Juventudes Socialistas Unificadas de España, Solidaridad Española. Außerdem verbot die französische Regierung die Amical des Anciens FFI et Résistants Espagnols und die Unión de Mujeres Españolas.
Die zentrale Aktion der »Operation Bolero-Paprika« lief am 7. September 1950 ab. Dabei wurden zahlreiche Antifaschisten und Spanienkämpfer in den Reihen der Résistance verhaftet. Wie in der Zeit des Vichy-Frankreichs wurde das franquistische Spanien erneut von westlichen Regierungen unterstützt, die von einem starken antikommunistischen Eifer durchdrungen waren.
Die Aktion »Bolero« richtete sich gegen mehr als 250 spanische Kommunisten, meist ehemalige republikanische Kämpfer, die nach Korsika oder Algerien deportiert werden sollten. Bei der Aktion »Paprika« sollten Kommunisten anderer Nationalitäten »an die Ostgrenzen« deportiert werden (gemeint waren die UdSSR, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn und die DDR).
Auch wenn die Aktion geheimdienstlich intensiv vorbereitet worden war, gelang sie nur teilweise. In einer Auflistung des Polizeiarchivs vom 9. September wurden 288 Verhaftungen verzeichnet: Spanier, Polen, Sowjetbürger, Italiener, Ungarn, Tschechoslowaken, Griechen, Rumänen, Staatenlose und Bulgaren. Die verhafteten Spanier wurden nach Algerien und Korsika deportiert. Santiago Carrillo, seit 1937 Mitglied im ZK der PCE und 1960 als Generalsekretär Nachfolger von Dolores Ibárruri, Enrique Líster, ehemals Kommandant der 11. Division, die in Guadalajara und Teruel gekämpft hat, Vicente Uribe, der als Kommunist in der Spanischen Republik Landwirtschaftsminister war sowie weitere prominente Spanier konnten der Verhaftung entkommen.
Im Laufe des Jahres 1951 wurden weitere spanische Kommunisten vom französischen Festland nach Korsika deportiert. Am 18. und 20. Juni 1951 brachten zwei polnische Schiffe 57 der spanischen Deportierten von Korsika nach Polen, Ungarn und in die Tschechoslowakei. Am 2. Juli 1951 nahm ein weiteres polnisches Schiff 54 der spanischen Deportierten aus Algerien auf.
33 Spanier wurden vom französischen Innenministerium in die DDR ausgewiesen. Anfang September 1950 wurden sie nachts per LKW über Straßburg in den Südwesten der Bundesrepublik, in die bis dato französisch-besetzte Zone transportiert. Dort erhielten sie die Weisung, sich in Richtung DDR durchzuschlagen. Sie hatten weder Aufenthaltsgenehmigungen noch gültige Papiere, sondern lediglich eine Ausweisungsverfügung.
Die DDR nahm die Spanier als politische Flüchtlinge auf. Sie erhielten Papiere, Wohnraum und Arbeit. Die größte Gruppe lebte in Dresden, wo sie seit Dezember 1950 mit ihren Familien, die in die DDR nachfolgen konnten, untergebracht wurden. Zuerst lebten sie in der Arndtstraße. Später wurden die Spanier in drei Gebäude in Dresden-Neustadt, näher am Zentrum umgesiedelt. Bis zur Auflösung des Kollektivs blieb die Hechtstraße das Zentrum der spanischen Einwanderung in der DDR. In Dresden lebten 85 Spanier: 31 Männer, 21 Frauen sowie 33 Kinder und Jugendliche.
Erste Unterstützung erhielten sie von der »Volkssolidarität« und der SED-Ortsgruppe. Später finanzierte die »Volkssolidarität« den Kauf von Möbeln oder die Miete. Auch wenn deutsche Sprachkenntnisse noch schwach waren, hatten bereits im Oktober 1951 dank der Unterstützung der VVN alle arbeitsfähigen Männer und die Mehrheit der Frauen Arbeit, wenn auch in neuen Berufen. Die Mehrheit der spanischen Flüchtlinge erhielt zudem den Status »Verfolgte des Naziregimes«. Diese Anerkennung gab ihnen das Recht auf eine Rente sowie weitere Hilfen (längerer bezahlter Urlaub, bevorzugte medizinische Versorgung oder Wohngeld).
So bewies die DDR ihre Solidarität mit den Kämpfenden für das republikanische Spanien.