Keine Berührungsängste
3. Dezember 2020
Ab 1929 wurde die NSDAP an der Macht beteiligt
Eine wichtige Lehre aus dem deutschen Faschismus ist der Prozess seiner Herausbildung innerhalb der Weimarer Republik (1918 – 1933). Ausschlaggebend dafür war die Tolerierung und Machtbeteiligung der Nazis ab 1929.
Bei der sächsischen Landtagswahl im Mai 1929 erhöhte die NSDAP ihre Mandatszahl von zwei auf fünf. Mit Hilfe der NSDAP, die eine rechtsbürgerliche Regierung tolerierte, stellte künftig die DVP den sächsischen Ministerpräsidenten. Im Juni errang die NSDAP bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Schwerin zwei Mandate und konnte mit 4,1 Prozent der abgegebenen Stimmen ihren Wähleranteil mehr als verdoppeln. Die übrigen Parteien konnten allein keine Landesregierung bilden. Die NSDAP-Gau-Leitung erhandelte eine Tolerierungsvereinbarung, nach der der Rittergutsbesitzer Karl Eschenburg (DNVP) als Chef einer Minderheitsregierung zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Wie von der NSDAP Mecklenburg-Lübeck verlangt, wurden daraufhin im September fünf verurteilte Feme-Mörder aus der Haft entlassen.
Am 1. September 1929 verübten Mitglieder der »Landvolkbewegung« als Organisation schleswig-holsteinischer Bauern, die 1928 nach Bauernprotesten gegen zunehmende Verelendung entstand, einen Bombenanschlag gegen den Reichstag. Unterstützt wurden sie von Rechts-terroristen aus den ehemaligen Freikorps. Ein Korruptionsskandal, in den neben dem Berliner Oberbürgermeister Böß (DDP) auch SPD-Vertreter verwickelt waren, nutzten die Nazis im September 1929, um gegen die angeblich käuflichen Bonzen und deren Republik zu agitieren.
Schließlich sorgte der Börsencrash mit dem schwarzen Freitag im Oktober 1929 für den Zusammenbruch der Aktienkurse in New York. Das hatte weltweiten Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Wirtschaft. Davon war Deutschland besonders betroffen. Zu den Reparationsleistungen aus dem Ersten Weltkrieg kam nun der Mangel an Devisen zum Einkauf dringend benötigter Rohstoffe. Damit brachen kleine, mittlere und große Unternehmen und Banken zusammen. Die beginnende Massenarbeitslosigkeit konnte durch den Staat weder aufgefangen noch in ihrer katastrophalen Wirkung begrenzt werden. Die nachlassende Kaufkraft schwächte den Binnenmarkt. Die Landwirtschaft, in der bereits zuvor Krisenzeichen erkennbar waren, wurde massiv in die Krise hineingerissen. Zurückgehende Steuereinnahmen führten zu einer ständig nachlassenden Fähigkeit des Staates, seinen Aufgaben gerecht zu werden. Aus der Wirtschaftskrise wurde eine Staats- und Gesellschaftskrise.
Krisenerklärer und -löser
Die Nazis nutzen das für Ihre Propaganda. Sie beschrieben die Krise, nannten als einzige Ursache das »Weimarer System« und suggerierten den Menschen, die NS-Machtergreifung, die »Reinigung des Staates« von den Marxisten, »Novemberverbrechern« und Juden, der Aufbau eines starken, wehrhaften Staates würden »Arbeit und Brot« schaffen. So lautete auch die zentrale NS-Losung in diesen Jahren in allen Wahlkämpfen, bei allen ihren politischen Veranstaltungen. Zugleich wurde den Bauern, die auf Grund von Krise und Steuerlast ihre Betriebe überschulden mussten, die »Brechung der Zinsknechtschaft« versprochen. Zur Gewinnung der Großgrundbesitzer hatte man die bisherige NS-Forderung nach einer Bodenreform nun für unrechtmäßig erworbenen oder schlecht verwalteten Grundbesitz umgeschrieben. Den Händlern wurde die Beseitigung der großen Warenhäuser versprochen. Ein konkretes, nachvollziehbares Wirtschaftsprogramm stellten die Nazis den Deutschen nie vor. Die Menschen sollten an den »Führer« glauben. Gegen Gegner und Zweifler kamen die Schläger- und Mördertrupps von SA und SS zum Einsatz.
Die NSDAP und ihre Organisationen wurden erheblich von deutschen Großunternehmern finanziert, wie Emil Kirdorf, Fritz Thyssen, Albert Voegler sowie Bankiers wie Baron Kurt von Schroeder. Die Unterstützer sahen in den Nazis das kleinere Übel gegenüber einer möglichen kommunistischen Machtergreifung. Ihnen hatte Hitler in diesen Jahren glaubhaft versichert, dass weder das Wort »sozialistisch« noch das von der »Arbeiterpartei« ernst gemeint seien. Die sich enorm verschlechternde Lebenslage und die große Zukunftsangst angesichts von drei Millionen Arbeitslosen begünstigten den Einfluss der Rechten. Insbesondere die NSDAP hatte nun wachsende Mitgliederzahlen und deutlich zunehmende Mandatsgewinne bei den Wahlen zu verzeichnen. Mehr als 16.000 Menschen drängten am 10. September 1930 zum Berliner Sportplast, um Hitlers Rede gegen »Hochfinanz und Kapitalismus« zu hören. Bei der Reichstagswahl knapp zweieinhalb Jahre zuvor war seine Partei mit 2,6 Prozent noch weit abgeschlagen gewesen. Jetzt hatte er ein leichtes Spiel, wenn er gegen die »politischen, wirtschaftlichen und moralischen Bankrotteure« wetterte. Der Weg zur legalen Machtübernahme im Januar 1933 war geebnet.
Zum Weiterlesen:
Joachim Fest, Hitler – Eine Biografie, Propyläen-Verlag 2002
Lehrbuch der deutschen Geschichte 1929 – 1933, Autorenkollektiv, Dt. Verlag der Wissenschaften, Berlin 1969
Geschichte der deutschen. Arbeiterbewegung, Band 2, Berlin, Dietz, 1966