Berliner Zustände 2010

geschrieben von Eike Sanders

5. September 2013

Jährlicher »Schattenbericht« über Rechtsextremismus
und Rassismus

Sept.-Okt. 2011

Wie ist es in Berlin um Rassismus und die extreme Rechte bestellt? Welche Tendenzen und Entwicklungen können wir beobachten? Jenseits der Zahlen und Analysen der staatlichen Behörden und der Mainstreammedien versuchen apabiz e. V. und mbr jährlich einen eigenen Rückblick und damit eine alternative Perspektive zu bieten – von Projekten und Personen, die seit Jahren zum Thema arbeiten. Die 72-seitigen »Berliner Zustände« sind als gedruckte Broschüre im apabiz erhältlich oder können auf apabiz.de oder mbr-berlin.de als pdf kostenlos heruntergeladen werden.

Seit nunmehr fünf Jahren werfen das apabiz (antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum berlin) und die mbr (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin) einen kritischen Blick auf die »Zustände« in Berlin und geben den »Schattenbericht« über Rechtsextremismus, Rassismus – und in diesem Jahr als Schwerpunkt: Antifeminismus – heraus. Angesichts der derzeitigen »Extremismus-Debatte«, die hart erkämpfte Standards in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten gefährdet und Demokratie fördernde Projekte stigmatisieren und ihnen damit einen Maulkorb anlegen will, müssen antirassistische und antifaschistische Initiativen umso mehr gehört werden. Ihre Expertisen und Erfahrungen sind unverzichtbar.

Der »Schattenbericht« greift die das Jahr 2010 prägenden Schlagworte auf und analysiert sie aus Perspektiven jenseits von staatlichen Ermittlungsbehörden und medialen Skandalen: »Sarrazin«, rechtspopulistische Parteigründungen, antimuslimischer Rassismus, NPD-DVU-Fusion und Nazi-Angriffe auf linke Einrichtungen in Kreuzberg und Neukölln.

Jedes Jahr setzen wir auch unsere eigenen Akzente, indem wir uns einem Schwerpunktthema besonders widmen. Nach Diskriminierung, Antisemitismus, Homophobie und antimuslimischem Rassismus in den vergangenen vier Jahren beleuchten wir nun die diversen Formen des »Antifeminismus« näher und fragen, welche Rolle antifeministische und sexistische Argumentationen in verschiedenen Politikfeldern spielen: Im antimuslimischen Rassismus werden die Forderungen nach Frauenrechten rassistisch instrumentalisiert, was häufig der Externalisierung und Verschleierung eigener Sexismen dient und die rassistische Argumentationsweise zu legitimieren versucht. In der extremen Rechten werden vor allem Männlichkeiten anhand von Diskursen um »Volksgemeinschaft«, »Rassenschande« oder Homosexualität permanent verhandelt. Der Kampf gegen den gesellschaftlichen Wandel im Geschlechterverhältnis im Allgemeinen und gegen den Feminismus im Besonderen wird mit einer angeblichen »Krise der Männlichkeit« begründet – eine Argumentationsfigur, die wir in weiten Teilen der Gesellschaft finden. Und letztendlich kann zum Beispiel geschlechterreflektierende Arbeit mit Jungen zur Prävention von Rechtsextremismus beitragen. Auch christlicher Glaube ist bei weitem nicht gleichzusetzen mit Gleichberechtigung und emanzipatorischem Fortschritt: Anhand des jährlich stattfindenden »Marsches für das Leben« von sogenannten Lebensschützern in Berlin werden antifeministische und christlich-fundamentalistische Bestrebungen sichtbar, die bis in die Mitte der Gesellschaft hineinwirken. Mit dem Papstbesuch im September 2011 erhält dieser Themenschwerpunkt tagesaktuelle Relevanz.

Für die »Berliner Zustände 2009« haben die Herausgeberinnen übrigens den Alternativen Medienpreis 2010 verliehen bekommen. Dieser Preis und das positive Feedback der letzten Jahre machen deutlich, wie wichtig eine kontinuierliche Analyse der »Zustände« für eine qualitative Weiterentwicklung der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten und Rassismus ist.