Freiwilliger für den Frieden
5. September 2013
Zur Erinnerung an den im Februar verstorbenen Spanienkämper Fritz
Teppich
Mai-Juni 2012
Für Fritz war es wichtig, daran zu erinnern, dass der systematischen Ermordung der Juden deren willkürliche Enteignung vorangegangen war. Das betraf auch seine Familie. Seine Schwester Mela, die ihm 1933 die Kochlehre in Paris vermittelt hatte, war mit dem Sohn des berühmten Restaurant- und Hotelunternehmens Kempinski verheiratet. Kempinski wurde 1937 »arisiert«, im Nachkriegsdeutschland tauchte der Name dieses »hitlerverwurzelten Hotelkonzerns« wieder als Nobelmarke auf. Jahrelang führte Fritz Teppich den Kampf um eine Erinnerungsplakette, die den Hotelgästen heute anzeigt, auf welchem Fundament ihre Betten stehen.
Im Alter von 94 Jahren verstarb mit Fritz Teppich der letzte in Deutschland lebende Freiwillige, der 1936 nach Spanien ging, als die spanische Republik zur Verteidigung gegen die faschistischen Putschisten rief. Er war als 18-Jähriger früh dabei, sah sich aber nie als »Kriegsfreiwilliger«. Dieser Begriff war ihm suspekt, weil er ihn an Bilder des Jahres 1914 erinnerte, als Soldaten mit Blumen, Jubel und Blechmusik »ins Feld« zogen. Er war kein »Kriegsfreiwilliger«, sondern bewusst Freiwilliger für den Frieden. Und das blieb er, sein Leben lang.
Dass er sich auf den Weg nach Spanien »ohne Rückfahrkarte« machen konnte, wie er in vielen Gesprächen immer wieder betonte, verdankte er vor allem seiner Mutter. Sie, die er für unpolitisch hielt, hatte 1933 bei der Machtübertragung an Hitler erkannt, dass die Nazis keine »wildgewordenen Kleinbürger« waren, die »bald wieder abwirtschaften« würden. »Das ist schlimm und wird noch viel schlimmer!« Wie weitsichtig. Und wie umsichtig setzte sie sich dafür ein, Fritz und seinen älteren Bruder vor den antijüdischen Gewalttaten der Nazis zu retten. Sie schickte ihn nach Paris, um dort im Exil Koch zu lernen. Sein Weg führte ihn weiter nach Belgien, wo er sich der »Jeunes Gardes Socialistes« anschloss. Zur Linken zählte er schon in Berlin als Roter Pfadfinder. Eine Zeitungsmeldung gab dann den Anstoß für ihn Richtung Spanien. Er las, dass Genossen der Union Socialiste Anti-Fasciste, eine Organisation ähnlich dem sozialdemokratischen Reichsbanner in Deutschland, nach San Sebastian gefahren seien, um den Verteidigern im spanisch-französischen Grenzgebiet beizustehen. Auf abenteuerlichen Wegen gelangte er ins Baskenland und dort ins XXII. Armeekorps, mit dem er an vielen Schlachten zur Verteidigung der spanischen Republik teilgenommen hat, immer der deutsch-italienischen Luftherrschaft ausgesetzt. 1939 musste er den Verrat und die Auslieferung der vielen tausend Republikaner im Hafen von Alicante miterleben. Es gelang ihm über Frankreich nach Portugal zu flüchten und dort zu überleben.
Seine Mutter und sein jüngerer Bruder hatten die antijüdische Mordgier der Nazis nicht überlebt. Für ihn war die Rückkehr nach Berlin, in den Westteil der Viersektorenstadt, ein neuer Anfang. Er arbeitete als Journalist, berichtete für ADN, die Presseagentur der DDR, aus Westberlin. So war er hautnah verbunden mit den Auseinandersetzungen im Kalten Krieg, musste die Restauration des Kapitalismus und den Wiederaufstieg von Nazis im Westen Deutschlands miterleben. Er engagierte sich für Demokratie, Frieden und gegen atomare Aufrüstung. Als Mitglied der SED in Westberlin gingen ihm Erscheinungen des »Sozialismus von oben« gegen den Strich. Seinen Protest drückte er 1966 mit einer Flugblattaktion vor dem 1. Parteitag der SED-W in Berlin-Spandau aus, mit der er mehr demokratische Rechte der Mitglieder einforderte. Die Parteiführung reagierte mit Parteiausschluss. Seither war Fritz Teppich ein parteiloser Kommunist.
Eine Konstante in Fritz Teppichs Leben war der Einsatz für den Frieden. Als in Europa Anfang der 1980er Jahre der Frieden durch atomare Hochrüstung bedroht war, scharte er einen Kreis Gleichgesinnter um sich, um dagegen anzugehen. Die Friedensinitiative Wilmersdorf wurde, auch durch sein Engagement, zur Keimzelle der Berliner Friedenskoordination. Sein Credo war, dass Menschen unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenarbeiten müssen, um die Kriegsgefahr zu stoppen. Für Parteienhader und Profilierungssucht dürfe kein Platz in der Friedensbewegung sein. Er setzte sich auch für einen gerechten Frieden im Nahen Osten ein, was ihm als Juden den Vorwurf des Antisemitismus eintrug, weil er nicht bereit war die Politik Israels gegenüber den Palästinensern zu rechtfertigen. Ebenso protestierte er gegen die völkerrechtswidrigen Kriege gegen Jugoslawien und gegen den Irak und lehnte den Einsatz der NATO inklusive der Bundeswehr in Afghanistan ab.
Und immer bezog er sein Engagement auf seine Erfahrungen des antifaschistischen Kampfes in Spanien. Sie insbesondere der jungen Generation zu vermitteln, war ihm Herzensangelegenheit. So sorgte er maßgeblich dafür, dass 1986 die Ausstellung »Spaniens Himmel« in der Kreuzberger Elefantenpress-Galerie an die Volksfront in Spanien und die Internationalen Brigaden mit eindrucksvollen Originaldokumenten erinnerte. Bis kurz vor seinem Tod wirkte er in diesem Sinne, mit engen Beziehungen ins Baskenland und mit der Einrichtung eines Dokumentationszentrums in Potsdam.
Ein Motiv Fritz Teppichs war »wir müssen die Flamme über die Zeit tragen«. Das gilt weiter. Wir müssen sie jetzt ohne ihn, aber in seinem Sinne tragen.