Gedenken und Erinnerungsarbeit

geschrieben von Steffi Wittenberg

5. September 2013

April-Mai 2012

Die VVN-BdA ist durch ihre eigene Geschichte auf das Engste mit den Auseinandersetzungen um den Faschismus in Deutschland und Europa verbunden. Gegründet von Antifaschistinnen und Antifaschisten, die die Verfolgungen überlebt hatten, gehört die Aufklärung über die Jahre 1933 bis 1945 zu den wichtigsten Aufgaben der Organisation. Unterschiedliche Formen der Geschichtsarbeit machen bis heute einen großen Teil der Verbandsarbeit aus, von denen wir hier einige Beispiele vorstellen.

Mitgliedsorganisationen der VVN-BdA

– Auschwitz-Komitee e.V.

– Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/Freundeskreis e.V.

– Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.

– Deutsches Mauthausen Komitee Ost e.V.

– Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V.

– Sachsenhausen-Komitee e.V.

– Lagergemeinschaft Sachsenburg

– Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung »Freies Deutschland« e.V. (DRAFD)

– Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik e.V.

Am 1. Juni 1951 kehrte ich 25-jährig mit meinem Mann Kurt Wittenberg, 31 Jahre alt, aus dem Exil in meine Heimatstadt Hamburg zurück.

Vom Schiff holte uns eine in Hamburg überlebende Schwester meiner Mutter, Gertrud Simon, mit ihrem Mann Bruno ab.

Es gab noch allerhand Trümmerlandschaften in Hamburg, aber die Innenstadt, Eppendorf, Harveste-hude, kamen mir recht heil vor. Im Grindelviertel – wo einst viele Juden wohnten – gab es jetzt einen Parkplatz, wo einst die große Bornplatz-Synagoge stand, die Opfer des November Pogroms geworden war. Meine Jüdische Mädchenschule in der Karolinenstraße schien ebenso wie die Talmud-Tora-Schule für Jungen unversehrt. In den ersten 15 Jahren nach meiner Rückkehr habe ich -diese Gebäude gesehen, aber ich bin nicht eingetreten. Von den 20.000 Mitgliedern der Hamburger Jüdischen Gemeinde lebten nach 1945 nur noch wenige hundert Juden in der Hansestadt. Die eine Hälfte war deportiert und in der Mehrzahl ermordet worden, und die andere Hälfte wurde vertrieben, so wie meine Familie.

Wir wurden sofort Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und lernten viele Kameradinnen und Kameraden aus dem politischen Widerstand kennen. Wir erhielten die Ausweise als NS-Verfolgte und zwei Zimmer zur Untermiete bei der Familie König in Eimsbüttel. Natürlich glaubten wir, die Familie würde mit den Nazis hadern, weil sie durch den von Deutschland angezettelten Krieg ihren Sohn verloren hatten. Aber als wir bei unserem Auszug eine Miet-Auseinandersetzung hatten, war ihr Kommentar zu einer gemeinsamen Bekannten: »Die Juden werden schon wieder frech«.

Während wir einerseits eingebettet waren in unserem Bekannten- und Freundeskreis der NS- Verfolgten und Gegner des Naziregimes, schauten wir uns andererseits auf der Straße und in der Straßenbahn um und dachten nach, wie sich die Leute wohl während der Nazizeit verhalten hatten.

Soll ich als junge Frau für diese alte Dame aufstehen? Hatte sie mit den Nazis sympathisiert, hat sie vielleicht einen Oppositionellen oder eine Jüdin denunziert? Hatten sie Hitler zugejubelt?

Auffällig war, dass die Mehrheit der Bürger vom »Zusammenbruch« des NS Regimes sprach und nicht wie wir von der Befreiung vom Faschismus.

Das ganze Ausmaß der Naziverbrechen wurde uns von Stunde zu Stunde deutlicher.

Wir erfuhren von der Ermordung unserer Verwandten, in meinem Falle von zwei Schwestern meiner Mutter und einem Cousin, von Klassenkameradinnen und Lehrerinnen und Lehrern aus meiner Jüdischen Schule.

Sie wurden nach Lodz, Minsk und Auschwitz deportiert. Die älteste Schwester meiner Mutter wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert und kehrte schwerkrank in ihre Heimatstadt Lüneburg zurück. Mein Mann erfuhr von der Ermordung seines Onkels in Buchenwald und den in Baden-Württemberg ermordeten Verwandten seiner Mutter.

Kurt war sehr bald aktiv in der VVN. Ich habe in den ersten Jahren in einem politischen satirischen Kabarett mitgewirkt, in dem wir die Adenauer-Regierung kritisierten, die die Militarisierung der Bundesrepublik befürwortete und weniger an der Aufarbeitung der NS Verbrechen interessiert war als an der Verfolgung der größten politischen Opfergruppe der Nazizeit, der Kommunisten. Wir, Kurt und ich, gehörten in der Nazizeit zur jüdischen Minderheit und jetzt in der Bundesrepublik Deutschland zur Minderheit, die ein anderes Deutschland aufbauen wollten. Eigentlich wollten wir dies in der DDR tun, aber von der dortigen Regierung bekamen wir die Antwort in die USA, wir sollten es lieber in Westdeutschland tun. So geschah es. Kurt hat diesen Kampf bis zu seinem Lebensende geführt. Ich mache noch weiter für eine friedliche Welt für alle Menschen jeder Herkunft.