National und fremdenfeindlich

geschrieben von Igor Machnow

5. September 2013

Ressentiments und neofaschistische Tendenzen in Russland

März-April 2012

Während sich die DPNI und Djomushkins »Slawischer Bund« in erster Linie an den xenophoben Mob auf der Straße richteten, wollte RO ins studentisch intellektuelle sowie das subkulturelle Milieu wirken. Das Ergebnis ist ein Netzwerk kulturell aktiver Nationalisten innerhalb des internationalen Netzwerks Blood & Honour / Combat 18 aber auch der Aufbau terroristischer Kleinzellen, wie die militante Gruppe »Vereinte Brigaden-88« (OB-88).

Im Jahr 1992 behauptete Vladimir Zhirinovskij, der charismatische Vorsitzende der Liberal-Demokratischen Partei Russlands, dass sich die russische Gesellschaft als ein autoritäres, ein sehr schroffes Regime, doch ohne Repression, Massenverhaftungen und ohne Lager konstituieren muss. Seine Antwort auf die gesellschaftlichen Krisen nach der Perestroijka war ganz ganz einfach – ein starker Staat. Seit der Jahrhundertwende schien Vladimir Putin diese Prophezeiung umsetzen zu wollen und forcierte die staatlich geförderte Erfindung einer multiethnischen, russischen, nationalen Identität. Hierzu erlaubte er vermeintlich gemäßigten nationalistischen Organisationen, sich zu organisieren und schenkte ihnen den »Tag der Einheit des Volkes« am 4. November. Seit 2005 beteiligen sich an diesem Tag Tausende Nationalisten an so genannten »Russischen Märschen« und erinnern an die Befreiung Russland von der polnisch-schwedischen Besatzung.

Die DPNI war bis zu ihrem Verbot im Jahr 2009 die größte Organisation, die von vermeintlich harmlosen Patrioten, über kommunistische Nationalisten bis zu militanten Nazis das gesamte nationale Spektrum integrieren konnte. Die DPNI formierte sich im Jahr 2002. Als ihre Führer traten bis zur Spaltung im Mai 2008 die beiden Brüder Aleksandr Belov (Potkin) und Vladimir Basmanov (Potkin) auf. Beide engagierten sich schon vor der Gründung der DPNI in nationalistischen Zusammenhängen. So waren sie seit Anfang der 90er Jahre gemeinsam beim »Pamjat« aktiv. Die Organisation »Slawischer Bund« wurde 1999 als militante Organisation gegründet und ging aus dem paramilitärisch organisierten Sicherheitsdienst der RNE hervor. Der Führer des Slawischen Bundes war und ist Dmitrij Djomushkin. Dieser überzeugte Nationalsozialist und Rassist ist ein Dinosaurier der militanten nationalen Bewegung. Die Bewegung rund um das Magazin »Russkij Obraz« (RO) fiel im Jahr 2009 erstmals stärker auf, weil ihr erlaubt wurde, am 4. November eine NS-Hatecore Konzert unweit des Kremls zu veranstalten.

Seit dem Jahr 2009, in dem mit Markelov, Baburova und Ivan Khutorskoj gleich drei prominente Antifaschistinnen von Nazis ermordet wurden und die Gefahr nationalistischer Terrorzellen breiter wahrgenommen wurde, gerieten die großen Organisationen DPNI und Slawischer Bund zunehmend unter Druck und wurden schließlich verboten oder sie diskreditierten sich innerhalb des nationalen Spektrums durch nicht nachvollziehbare PR-Kampagnen.

Doch auch Einzelpersonen haben es in den vergangenen Monaten geschafft, anti-kaukasische Ressentiments und nationalistische Großmachtssehnsüchte gesellschaftsfähig zu machen, darunter der im Westen nicht selten als Antikorruptionsblogger verharmloste Anwalt und Publizist Aleksej Navalny.

Aber auch das Kremlestablishment forciert noch immer offen fremdenfeindliche Ressentiments. So werden von lokalen Behörden Migranten als Krankheitsüberträger diffamiert und ihre Ausweisung gefordert. Die fremdenfeindlichen Pogrome im Dezember 2010 wurden nicht zum Anlass genommen, die eigene herabwürdigende Ausgrenzungspropaganda zu überdenken, sondern im Gegenteil durch bewusste Spitzen zu forcieren.

Aufgrund dieser Entwicklungen ist es umso wichtiger, antifaschistisches und emanzipatorisches Engagement, das es in Russland selbstverständlich ebenfalls gibt, zu unterstützen. Dies ist insbesondere aufgrund des gestiegenen Drucks der Sicherheitsbehörden und die so genannten regionalen »Zentren gegen Extremismus« auf antifaschistische Strukturen wichtig, die zum Beispiel in Nizhni Novgorod gegen fünf und in Moskau gegen drei Antifaschisten mit erfundenen Vorwürfen Verfahren angestrengt haben.