Bürgernah, heimatverbunden?

5. September 2013

antifa-Gespräch mit Pascal Begrich über den Wahlkampf der NPD in
Sachsen Anhalt

März-April 2011

In den Umfragen für die am 20. März in Sachsen-Anhalt stattfindenden Landtagswahlen liegt die NPD konstant unter der für sie magischen 5%-Hürde. Welche Anstrengungen sie unternimmt, in den dritten ostdeutschen Landtag einzuziehen, wie die demokratischen Parteien agieren, um genau das zu verhindern und welche Faktoren für oder gegen einen Einzug der NPD in den sachsen-anhaltischen Landtag sprechen, darüber sprach antifa mit Pascal Begrich von Miteinander e.V.

Die Fragen stellte Martin Schirdewan

Weitere Information sind auf der Homepage der Kampagne zu finden: www.keinortfuerneonazis.blogsport.de

antifa: Welche Strategie fährt die NPD im Landtagswahlkampf 2011?

Pascal Begrich: Während die DVU-Fraktion im Magdeburger Landtag noch während der Legislaturperiode zerfiel, konzentriert sich die NPD seit der letzten Wahl 2006 auf eine Professionalisierung ihres Auftretens und die Verankerung ihrer Vertreterinnen vor Ort. Nach den Kommunalwahlen 2007 und 2009 verfügt die neonazistische Partei über 29 kommunale Mandate in Sachsen-Anhalt, ein erster Erfolg in ihrem »Kampf um die Parlamente«. Die NPD hat die Wahl in Sachsen-Anhalt zu ihrer Schwerpunktwahl 2011 ausgerufen. Nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern will die Partei nun in ein drittes Landesparlament einziehen. Im Wahlkampf präsentiert sich die NPD als bürgernahe Alternative zu den als »Altparteienkartell« denunzierten demokratischen Parteien. Im Wahlkampf sucht sie alles zu vermeiden, was tauglich wäre, die Partei im neonazistischen Spektrum zu verorten. Klassische Themen der extremen Rechten, wie der Geschichtsrevisionismus oder ein offener Rassismus, spielen kaum eine Rolle. Stattdessen bemühen sich die Kandidaten der NPD um ein sympathisches, mittelstandsorientiertes und heimatverbundenes Image. Sie inszenieren sich als Stimme der »kleinen Leute« und geben vor, das auszusprechen, was ohnehin alle denken würden. Aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl und schwierigen Finanzlage wird die NPD ihren Wahlkampf vor allem auf ihre Hochburgen – z.B. im Burgenlandkreis – konzentrieren und die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten dort setzen, wo die Kommunikationsangebote anderer Parteien ausbleiben. Dabei verfolgt die Partei ein Konzept der Normalisierung: Statt der Mobilisierung der eigenen Szene werden die Spitzenkandidatinnen und Kandidaten auf Marktplätzen und vor Einkaufszentren öffentlich Gesicht zeigen.

antifa: Auf welche Zielgruppen richtet sie dabei besonderes Augenmerk? Wie tritt sie auf?

Pascal Begrich: Die NPD konzentriert ihren Wahlkampf vor allem auf zwei Zielgruppen. Zum einen wendet sie sich an bisherige Nichtwähler/innen bzw. an so genannte Politikverdrossene. So bedienen die gewählten Themen und ihre inhaltliche Präsentation im Wahlkampf hintergründig die in der Bevölkerung vorhandene Ressentimentstruktur und Demokratiefeindlichkeit. Zum anderen spricht die NPD gezielt Erst- und Jungwähler/innen an. Diese sind oftmals über die herkömmlichen politischen Kommunikationswege – z.B. über Wahlforen oder über Tageszeitungen und Rundfunk – nicht zu erreichen. So vermittelt die NPD ihre Botschaften vor allem über einen professionellen Internet- und Facebook-Auftritt sowie über jugendkulturelle Angebote wie die »Schulhof-CD«.

antifa: Herrscht Einigkeit der demokratischen Parteien im Wahlkampf im Umgang mit der NPD?

Pascal Begrich: Die demokratischen Parteien im Landtag haben die Bürgerinnen und Bürger in einer gemeinsamen Entschließung aufgerufen, am 20. März demokratisch und weltoffen zu wählen. Einen Konsens gibt es zudem über die demokratischen Grundwerte. Uneinig sind sich hingegen die Parteien bei der Bewertung der NPD und des Rechtsextremismus. Während Linke, Grüne und SPD dezidiert Stellung gegen die NPD beziehen, problematisiert die CDU allgemein die Gefahr eines jeden politischen Extremismus.

antifa: Gibt es Initiativen zwischen demokratischen Parteien, NGOs, Bürgerinitiativen und Vereinen wie dem deinen, die NPD zu marginalisieren?

Pascal Begrich: Wir haben zusammen mit der Amadeu Antonio Stiftung die Kampagne »Kein Ort für Neonazis in Sachsen-Anhalt« ins Leben gerufen. Wir wollen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie zivilgesellschaftlichen Initiativen der rechtsextremen Propaganda demokratische Argumente entgegensetzen und einen Einzug der NPD in den Magdeburger Landtag verhindern. Dazu hoffen wir auf eine breite Unterstützung – auch der demokratischen Parteien. Für Aktivitäten im Rahmen der Kampagne stellt die Amadeu Antonio Stiftung einen Aktionsfonds zur Verfügung. Lokale Initiativen können bis zu 250 € für eigene Aktionen beantragen.

antifa: Wo siehst Du die NPD nach der Wahl am 20. März 2011?

Pascal Begrich: Ob die NPD es über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen wird, ist ungewiss. Umfragen sehen die Partei momentan zwischen 3 und 5%. Viele Bürger in Sachsen-Anhalt entscheiden jedoch erst am Wahlsonntag, ob sie zur Wahl gehen und welche Partei sie wählen werden. Am Ende kommt es darauf an, wer insbesondere bisherige Nichtwähler mobilisieren kann – die rechtsextreme NPD oder die demokratischen Parteien.