Chronist des Völkermords

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Otto Pankoks Sinti- und Roma-Porträts wurden in Berlin gezeigt

März-April 2009

Die Berliner Saarländische Galerie Europäisches Kunstforum e. V. präsentierte Anfang des Jahres in Kooperation mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg eine Ausstellung mit Arbeiten von Otto Pankok. Der Katalog erschien unter dem Titel otto pankok: sinti – portraits 1931 bis 1945 – eva pankok und romani rose (hg.) im Dam und Lindlar Verlag. ISBN Nr. 978-3-9812268-3-6

Die Präsentation der künstlerischen Arbeiten von Otto Pankok zur Erinnerung an den Völkermord an den Sinti und Roma sollte eigentlich als Begleitprogramm zur Errichtung des Denkmals des israelischen Künstlers Dani Karawan, der den ersten Preis bei der Auslobung im Wettbewerb zu dem Mahnmal gewonnen hatte, laufen. Doch leider wurde dieses Mahnmal für die 500 000 Ermordeten immer noch nicht am vorgesehenen Ort in der Nähe des Bundestages aufgestellt, obwohl der Bundesrat am 20. Dezember 2007 einstimmig den Bau beschlossen hatte und am 22. Januar 2008 eine Einigung von Bundesregierung und dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma über die ideenreiche architektonisch-plastische Gestaltung des Environments erzielt wurde. Auch über die Inschrift der Widmung war man sich einig. Sie ist ein Zitat von Roman Herzog: »Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns und dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt worden, wie an den Juden. Sie wurden im gesamten Einflussbereich der Nationalsozialisten systematisch und familienweise vom Kleinkind bis zum Greis ermordet«.

Otto Pankok (1893-1966) ist der einzige deutsche Künstler, der sein gesamtes Schaffen dem Volk der Sinti und Roma gewidmet hat. Romani Rose bezeichnet ihn als historischen Chronisten des Holocaust an seinem Volk. »Die von Otto Pankok geschaffenen Portraits bewahren die Erinnerung an unsere verfolgten und ermordeten Frauen, Männer und Kinder, denen der NS-Staat das bloße Recht zu existieren absprach.«

Überdies dokumentierte die Berliner Ausstellung Pankoks eigene Verfolgung in den Jahren der Nazidiktatur, als seine Kunst als »entartete« diffamiert wurde und seine Familie in größter Bedrängnis leben musste. Darüber gibt Eva Pankok, seine Tochter, in ihrem beeindruckenden Beitrag: »Mein Vater und die Sinti«, mit zahlreichen Fotografien aus dem Zusammenleben mit den Sinti und Roma in Heinefeld-Düsseldorf, Auskunft, Dort waren viele von ihnen seit 1936 KZ-ähnlich interniert.

Das Buch zur Ausstellung – es ist mehr als ein Katalog – enthält Aufsätze und Dokumente zu folgenden Themen: »Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma: ein Überblick« (Silvio Peritore und Frank Reuter); »Zur Kunstpolitik des Nationalsozialismus« (Martin Damus); »Zur Ikonografie der ›Zigeunerbilder‹ der Moderne« (Gerhard Baumgartner und Éva Kovác); »Otto Pankok und die Avantgarde der Zwanzigerjahre« (Rolf Jessewitsch).

Der Katalog gibt einen repräsentativen Ein- und Überblick des Werkes Otto Pankoks über sein künstlerisches Schaffen in Plastik und Kohlezeichnungen. Seine antifaschistische Überzeugung und sein Widerstand gegen den faschistischen Rassenwahn werden immer wieder deutlich in seinen Kinderportraits. Jedes ist mit dem Namen des Kindes benannt. Er erhält sie über den Tod hinaus für uns im Gedächtnis.

Am 29.12.1963 schrieb Heiner Müller an Otto Pankok: »Sie fanden die Schönheit des Menschen auf noch unausgetretenen Pfaden und sie gestalteten diese Würde des Menschen, der doch das Maß aller Dinge ist. … Wie gerne blicke ich doch Raklo und Ringela ins Gesicht. … Es ist ein traurig-schmerzliches Blatt, so als wüssten die beiden schon um ihr späteres Schicksal. Es ergreift mich tief.«

Otto Pankok lebte den Widerstand gegen Herabwürdigung und Ausgrenzung. Sehr früh hat er Leiden in seiner Kunst thematisiert, so in seinem Zyklus »Die Passion Jesu von Nazareth«. Es ist sein zentrales Werk ein Zeugnis gegen Gewalt, Willkür und Unmenschlichkeit. Sein durch die Friedensbewegung bekannt gewordenens Werk ist »Christus zerbricht das Gewehr«.

Der Dam und Lindlar Verlag und die Ausstellung in der Saarländischen Galerie am Festungsgraben füllen nicht nur die durch die Verzögerung der Errichtung des Denkmals von Dani Karawan entstandene politisch unverständliche Lücke, sondern bezeugen den großen Einsatz von Otto Pankok gegen den Rassenwahn. Der Verlag macht neugierig auf weitere eindrucksvolle Veröffentlichungen.