Den Nazis in den Weg stellen

geschrieben von Die Fragen stellte P.C. Walther

5. September 2013

antifa-Gespräch mit dem DGB-Bezirks-Vorsitzenden Stefan
Körzell

Jan.-Feb. 2007

*) Artikel 158 der Hessischen Verfassung verweist (ähnlich wie Grundgesetz-Artikel 139) auf die bleibende Fortdauer der Verpflichtung, „den Nationalsozialismus und den Militarismus zu überwinden und das von ihm verschuldete Unrecht wiedergutzumachen“.

antifa: Die DGB-Bezirke Baden-Württemberg, Hessen-Thüringen und Rhein-land-Pfalz/Saarland haben in einer gemeinsamen Erklärung zum entschiedenen Widerstand gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus aufgerufen. Was ist der Grund für diesen Aufruf?

Stefan Körzell: Die drei DGB-Bezirke haben erkannt, dass das Drei-Länder-Eck im Süden von Hessen seit langem eine Basis rechtsextremer Kameradschaften und Skinheads ist. Deshalb war uns wichtig, dies gerade im Vorfeld des 1. Mai’s öffentlich zu machen, damit die Neofaschisten nicht wieder ein Katz- und Mausspiel mit der Polizei in der Region betreiben. Wir wollten mit unserer Demonstration ein deutliches Zeichen setzen. Den Naziaufmarsch am 1. Mai in Heppenheim haben unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort erfolgreich behindert. Unsere Initiative hat mit dafür gesorgt, dass das Problem im Drei-Länder-Eck wahrgenommen wird.

antifa: In der Erklärung der drei DGB-Bezirke werden die Behörden aufgefor-dert, entschiedener gegen rechtsextreme und neofaschistische Aktivitäten vorzu-gehen. Was veranlasst Euch zu dieser Aufforderung?

Stefan Körzell: Es geht uns nicht nur darum, dass Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit antifaschistischen Gruppen das demokratische Gesicht der Bundesrepublik Deutschland zeigen, sondern dass hier auch eine Verantwortung bei den Richtern liegt. Ich sage, dass dem Aufstand der Anständigen endgültig der Aufstand der Zuständigen folgen muss. Nur wenn diese auch ihre Verantwortung erkennen, dass konsequent der Artikel 158 der Hessischen Verfassung umzusetzen ist, dann dürften neofaschistische Aufmärsche in Hessen, aber auch anderswo nicht mehr genehmigt werden. *)

Selbstverständlich denken wir als Gewerkschafter dabei auch an diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die in der Gewerkschaft der Polizei organisiert sind und bei solchen Aufmärschen oftmals den Kopf für Entscheidungen hinhalten müssen, die sie aufgrund eigenen politischen Engagements zum Teil selbst nicht nachvollziehen können.

antifa: Was fördert Deiner Meinung nach den Rechtsextremismus und was müsste unternommen werden, um dem Rechtsextremismus entgegenzuwirken?

Stefan Körzell: Gültigkeit hat für mich nach wie vor: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Das bedeutet konkret, dass sich der DGB mit seinen Mitgliedsorganisationen den undemokratischen Kräften der NPD, der freien Kameradschaften und den Skinheads in den Weg stellt. Dies allein reicht jedoch nicht. Wir brauchen von der Landespolitik bis über die Gemeindevertretungen und die Stadtparlamente das ganz klare politische Bekenntnis, dass es keine Genehmigung für rechtsextreme Aufmärsche geben darf. Wenn Gerichte jedoch anderer Meinung sind, gilt es, sich den Faschisten in den Weg zu stellen.

antifa: Die Ergebnisse von Umfragen und Untersuchungen zeigen, dass rechtsextreme Positionen auch in Teilen der Arbeitnehmerschaft verbreitet sind. Was kann und müsste dagegen unternommen werden?

Stefan Körzell: Zunächst gilt auch für uns, wieder die politische Bildungsar-beit zu verstärken und das Thema Rechtsextremismus und Neofaschismus als wichtigen Bestandteil zu sehen. Wir verfolgen mit großer Sorge, dass nicht in den sozialen Brennpunkten der Städte das Wählerpotenzial der Rechtsextremisten am höchsten ist, sondern dort relativ hoch ist, wo die sogenannte Mittelschicht, also Facharbeiterinnen und Facharbeiter, Beamtinnen und Beamte leben. Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, die populistischen Forderungen und Vorstellungen der NPD und anderer Organisationen zu entlarven und Menschen dazu zu ermutigen, sich in demokratischen Parteien zu engagieren.

Darüber hinaus muss es Räume für Jugendliche geben, wo sie demokratische Spielregeln lernen und erfahren können. Hier stellen wir jedoch fest, gerade auch im Osten unseres Bezirks, dass unter dem Diktat der Knappheit öffentlicher Mittel oftmals Entwicklungsräume für Jugendliche geschlossen werden, oder Projekten gegen Rechtsextremismus die finanzielle Grundlage entzogen wird. Dies ist eine komplett falsche Weichenstellung. Hier muss Politik aktiv und gestaltend reagieren und nicht ausschließlich die Erscheinungsformen im Rechtsextremismus beklagen.

antifa: Worin sehen Gewerkschaften die hauptsächlichen Mittel und Aufgaben zur Bekämpfung des Rechtsextremismus?

Stefan Körzell: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, sowie der sozialen Ausgrenzung stehen an vorderster Stelle. Wir müssen alles tun, damit Jugendliche nach der Schule und Ausbildung merken, dass sie gebraucht werden. Deshalb hat der DGB, insbesondere der DGB Hessen, eine Initiative für 50.000 zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze gestartet. Hier sehen wir einen wichtigen Ansatz. Auch der Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Diskriminierung steht für uns ganz oben auf der Agenda gewerkschaftlicher Politik. Das heißt, dass wir uns auch dort engagieren müssen, wo Menschen nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.