Der bayerische Weltbürger

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Zum 40. Todestag des Schriftstellers Oskar Maria Graf

Mai-Juni 2007

Thomas Mann, 1954 zu Oskar Maria Grafs 60. Geburtstag:

»Unter unseren Geburtstagswünschen aber soll der voranstehen, daß die Heimat, sein oberbayerisches Land, seiner recht gewahr werden und sich dankbarer als gegenwärtig erweisen möge für das Gute, das er zu ihrer Ehre hervorbringt. Sie hat keinen echteren, in der vom Schicksal erzwungenen Ferne keinen treueren Sohn.«

Es hat danach noch einige Zeit gedauert. Das Bemühen, des damaligen Münchner Oberbürgermeisters Hans-Jochen Vogel, den Schriftsteller heimzuholen (eine Wohnung war von der Landeshauptstadt bereits zur Verfügung gestellt) machte 1967 der Tod in New York zunichte. Die Urne mit Grafs Asche wurde 1968 auf dem »Prominentenfriedhof« München-Bogenhausen beigesetzt. Heute erinnert auch ein Denkmal in seiner Geburtsgemeinde am Starnberger See an den Dichter.

In diesen Tagen fanden wie jedes Jahr an vilen Orten Lesungen statt zur Erinnerung an die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, deren Werke bei den öffentlichen Bücherverbrennungen der Nazis am 10. Mai 1933 und in den Wochen darauf in die Flammen geworfen wurden. Ein Text, der bei solchen Anlässen gerne vorgetragen wird, ist der Aufruf »Verbrennt mich!«, den der Autor Oskar Maria Graf am 12. Mai 1933 in der Wiener »Arbeiterzeitung« veröffentlichte. Als in Deutschland die Bücher brannten, war Graf gerade auf einer Lesereise in Österreich. Dort erfuhr er, dass die Nazis zwar seinen epochalen autobiographischen Roman »Wir sind Gefangene« (erstmals 1927 erschienen) auf den Index gesetzt hatten, seine bayerischen Heimatgeschichten aber gerne in ihr literarisches Blut-und-Boden-Programm eingliedern wollten.

»Verbrennt mich!« schrieb Graf und fuhr fort: Nach meinem ganzen Leben und meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!« In seinem Aufruf nannte sich Graf einen »linksgerichteten, entschieden sozialistischen Geistigen« und hielt später in einer »Nachschrift« zu seiner Protesterklärung fest, dass dann »im Beisein der Professorenschaft« noch eine eigens für seine Werke angesetzte Verbrennungsaktion im Hof der Münchner Universität stattfand.

Mit dem Aufruf, der weltweit Aufsehen erregte, begann Oskar Maria Grafs Weg ins Exil, der ihn über die Tschechoslowakei und die Niederlande schließlich in die USA führte. Dort, in New York, ist er vor 40 Jahren, am 28. Juni 1967, im 73. Lebensjahr verstorben.

Graf, in Berg am Starnberger See geboren, blieb auch in seiner Exilzeit stets ein seiner bayerischen Heimat und der dort lebenden »kleinen Leute« verbundener Mensch. Nach außen zeigte er das durch seine Lederhose und den Trachtenjanker, die er – egal, wo er sich befand, beim Internationalen Schriftstellerkongress 1934 in Moskau oder in den Straßen New Yorks – meist trug. In der öffentlichen Wahrnehmung, besonders in den ersten eineinhalb Jahrzehnten der alten Bundesrepublik, wurde er deshalb auch gerne, wenn man sich seiner überhaupt erinnern wollte, aufs Krachlederne reduziert. Wenn auch sonst nichts von ihm gedruckt wurde, sein »Bayerisches Dekameron« (Erstveröffentlichung 1928) kam immer wieder auf den Markt. Weil da sogar ins Lederhosentürl hineingeschaut werden durfte.

Das Auf und Ab der Rezeptionsgeschichte der Graf’schen Bücher, vor allem seiner wichtigen, im Exil entstandenen antifaschistischen Romane (»Der Abgrund«, 1936; »Anton Sittinger«, 1937; »Unruhe um einen Friedfertigen«, 1947; »Er nannte sich Banscho«, 1964) in BRD und DDR und in Deutschland in den Jahren nach 1990 wäre einer eingehenden Untersuchung wert. Ein »vergessener Dichter« ist er heute nicht, der Oskar Maria Graf, einige wichtige Werke sind derzeit auch in Taschenbuchausgaben vorhanden. Aber so richtig »in« ist er halt auch nicht.

Das ist schade, weil uns dieser heimatverbundene Weltbürger auch heute viel zu sagen hat. Mit seinem Werk und mit seinem Leben, das stets geprägt war von einem nimmermüden Engagement gegen Faschismus und Krieg. Auch als Schreiber von politischen Essays, als Redaktionsmitglied der »Neuen Deutschen Blätter« (mit Anna Seghers und Wieland Herzfelde im Prager Exil). Später in den USA, wo er zeitweise Vorsitzender der »German-American Writers Association« war, als Mitbegründer des Aurora-Verlags, der nach der Befreiung vom Faschismus eine Reihe wichtiger Romane der deutschen Exilliteratur erstmals wieder an Leser in Deutschland brachte. Und, nicht zu vergessen: Als Organisator von Paketsendungen und Zuwendungen (obwohl es ihm in New York selbst materiell nie besonders gut ging) an KZ-Überlebende in seiner alten Heimat.