Dialog über Kontinente

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Vor 50 bzw. 40 Jahren starben Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig

Nov.-Dez. 2008

Am 28. Januar 1958 hielt der Schriftsteller Arnold Zweig bei der Deutschen Akademie der Künste in Berlin die Gedenkrede auf seinen am 21. Dezember 1958 in den USA verstorbenen Kollegen Lion Feuchtwanger: »Er war der Freund, der seit 1920 in einem Kontakt mit unsereinem lebte und arbeitete, den man sonst unter Schriftstellern sehr schwer findet, denn wir beide waren aufeinander niemals neidisch, und wir beide waren miteinander stets so verbunden, dass unsere Ratschläge aufrichtig gemeint waren und für den anderen genauso sprachen, als wenn sie für uns selber hätten sprechen sollen (…) Wir waren in sehr vielen Dingen anderer Meinung, sehr lange, ich war beispielsweise im Lager der Zionisten zu Hause, er in gar keiner Weise, aber er war andererseits wieder im Lager der jüdischen Geschichte zu Hause und ich wieder nicht, und so ging zwischen uns hin und her eine dauernde Atmosphäre von freundschaftlichen Kontroversen…«.

Vor 50 Jahren, am 21. Dezember 1958, starb im kalifornischen Exil Lion Feuchtwanger, vor 40 Jahren, am 26. November 1968, in Berlin/DDR Arnold Zweig. Die jahrzehntelange Freundschaft, die beide verband, konnte unmittelbar persönlich nur in den in den Jahren der Weimarer Republik gepflegt werden. Beide hatten als Romanciers damals bereits beachtliche Bekanntheit erreicht – Feuchtwanger vor allem mit »Jud Süß« (1925) und »Erfolg« (1930), Zweig mit »Der Streit um den Sergeanten Grischa« (1927).

Feuchtwanger, 1884 in München geboren, und Zweig, 1887 in Glogau, stehen für eine Reihe von aus jüdischen Elternhäusern stammenden Intellektuellen und Künstlern, deren Jugendjahre durch Kaiserreich, Ersten Weltkrieg und Novemberrevolution geprägt wurden, die sich in Werk und Leben der Veränderung bestehender Verhältnisse verschrieben hatten und die schließlich ihr Leben vor den braunen Bücher- und Menschenverbrennern nur durch die Flucht aus ihrem Heimatland retten konnten. Auf schwierigen, vielfach verschlungenen Wegen brachte diese Flucht Feuchtwanger und Zweig nach 1933 nur noch einmal kurz in Südfrankreich zusammen, führte den einen dann bis zu seinem Lebensende in die USA, den anderen nach Palästina und von dort 1948 zurück auf deutschen Boden, in die entstehende DDR.

Ausführliche Briefwechsel jedoch, bereits in den frühen 20er-Jahren begonnen, wurden bis zu Feuchtwangers Tod über Kontinente hinweg geführt. Aus Anlass der beiden Todestage sei an eine verdienstvolle Edition dieser Korrespondenz erinnert, die in zwei Bänden vor nunmehr über zwei Jahrzehnten mit geringer Zeitversetzung in der DDR (1984 bei Aufbau) und der BRD (1986 im Fischer Taschenbuch Verlag) erschienen war: »Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, Briefwechsel 1933 bis 1958«. Dokumente freundschaftlich-privaten, literarischen und politischen Austausches, die besser als manche wissenschaftliche Abhandlungen geeignet sind, von finsteren Zeiten zu berichten, von Hoffnungen und Enttäuschungen, Illusionen und Ernüchterungen, von Humanismus und Solidarität.

Romane von Lion Feuchtwanger – zumindest ein wichtiger Teil davon – sind heute auch bei großen Buchhandelsketten relativ zahlreich zu haben. Er ist, vor allem mit seinen historischen Stoffen, der »Erfolgsschriftsteller« geblieben, der er in Exil und Nachkriegszeit im angelsächsischen Sprachraum und in »realsozialistischen« Ländern war. Kalte-Kriegs-Boykotte in der Bundesrepublik der 50er- und 60er-Jahre sind längst Geschichte. Eine Ost-Kuriosität ähnlichen Ursprungs übrigens auch: Mit Einwilligung des Autors hieß die DDR-Ausgabe seines Benjamin-Franklin-Romans »Waffen für Amerika« seit 1949 »Die Füchse im Weinberg«.

Arnold Zweig, neben dem »Grischa«-Roman im Westen bis heute vor allem durch den in hebräischer Sprache im Exil und nach dem Krieg dann deutsch veröffentlichten Roman über einen Nazi-Henker, »Das Beil von Wandsbek«, bekannt (im Osten waren seine Werke zum Teil Schullektüre), wurde in der Bundesrepublik lange als DDR-»Staatsdichter« ignoriert.

Auch hier begann mit den 70er-Jahren langsam ein Wandel im Rezeptionsverhalten, nach 1990 richtete sich das editorische Augenmerk wiederum auf das »Jüdische« in Zweigs Werk und auf seine Beziehung zu Sigmund Freud (mit dem er ebenfalls bis zu dessen Tod 1938 korrespondierte). In Massenverkaufs-Regalen findet man Zweigs Werke heute leider kaum.

Schade ist, dass die Feuchtwanger-Zweig-Briefwechsel, die von Harold von Hofe herausgegeben und mit einem ausführlichen Anmerkungsapparat und einem nützlichen Personen- und Werksregister versehen waren, seit den 80er-Jahren nicht mehr neu veröffentlicht wurden. An den aktuellen Turbulenzen, mit denen der Aufbau Verlag kämpft, liegt es wohl kaum. Möglicherweise gibt es urheberrechtliche Schwierigkeiten. Die beiden Bände beeindrucken immer noch durch ihre Authentizität und bieten Stoff für aktuelle Diskussionen. Nicht zuletzt, wenn es um Antisemitismus geht, den neuerdings manche bevorzugt links orten wollen, um so immer unverfrorener Gleichsetzungen mit NS-Verbrechen zu betreiben.