Die Lehren von Guernica

geschrieben von Norman Paech

5. September 2013

Der Schutz der Zivilbevölkerung im Völkerrecht

Mai-Juni 2007

Fragt man nach Beispielen für Luftkrieg und Bombenterror, fallen in Deutschland zunächst die Namen Dresden und Hamburg, vielleicht Coventry und Rotterdam. Erst in jüngerer Zeit ist der Name Guernica in das öffentliche Bewusstsein getreten – vor allem mit der Assoziation an das Gemälde von Picasso und der Verhängung seiner Kopie im UNO-Sicherheitsrat, als die USA im Jahre 2003 ihren völkerrechtswidrigen Krieg zu begründen suchten. Dabei ist der Name mit einem tiefen Einschnitt in der modernen Kriegsführung verbunden. Es war der erste Terrorangriff aus der Luft auf eine offene und unverteidigte Stadt in der Geschichte.

Es soll hier nicht um die Gründe dieser jahrzehntelangen Verdrängung gehen, sondern um die Frage, ob dieses furchtbare Verbrechen, welches sich vor den Augen der ganzen Welt abspielte, nicht internationale Reaktionen hervorgerufen hat, um ähnliche Verbrechen in der Zukunft zu verhindern.

Das Völkerrecht – das klassische Mittel, solche Konflikte international zu regeln – hatte sich zu jener Zeit noch kaum mit der neuen Form des Krieges aus der Luft auseinander gesetzt. Allerdings hatte die Haager Deklaration IV von 1899 bereits ein auf fünf Jahre begrenztes Verbot verfügt, nach dem Geschosse oder Sprengstoffe nicht aus Ballonen abgeworfen werden durften. Es wurde von 25 Staaten – unter ihnen die Hauptkriegsstaaten – ratifiziert. 1907 wurde es wiederholt – nun aber versagten die Kriegsmächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihre Ratifizierung. Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) vom gleichen Jahr konnte lediglich ein Verbot der Bombardierung unverteidigter Orte in ihren Kodex aufnehmen. Alle weitergehenden Versuche, z.B. mit den Haager Luftkriegsregeln von 1923 eine präzisere und umfangreichere Ächtung des Luftkrieges durchzusetzen, scheiterten an der mangelnden Bereitschaft der Staaten.

Es war dann ausgerechnet Deutschland, welches – selbst ohne Luftwaffe nach dem verlorenen Weltkrieg – 1932 der geplanten Abrüstungskonferenz den Vorschlag machte, jegliche Luftstreitkräfte zu verbieten und »das Abwerfen von Kampfmitteln jeder Art aus Luftfahrzeugen sowie die Vorbereitung dafür ohne jede Einschränkung zu untersagen«. Die Konferenz scheiterte, Deutschland rüstete auf und schlug gleichwohl noch 1936 – ein Jahr vor der Bombardierung Guernicas – vor, den »Abwurf von Bomben jeglicher Art auf offene Ortschaften, die sich außerhalb der Reichweite der mittleren schweren Artillerie der kämpfenden Fronten befinden«, zu verbieten.

Trotz all dieser Versuche, die Grenzen des Luftkrieges rechtlich zu fassen, können wir dennoch nicht davon sprechen, dass es 1937 ein klar umrissenes Kriegsvölkerrecht zur Luftkriegsführung gegeben hat. Man konnte nur von zwei Grundregeln ausgehen: 1. Angriffe dürfen nicht auf Zivilisten und zivile Einrichtungen gerichtet werden, und 2. Bei Angriffen auf militärische Ziele darf die Schädigung von Zivilbevölkerung und zivilen Objekten nicht unverhältnismäßig sein. Diese Regeln genügten allerdings, um schon damals die Bombardierung als schweres Kriegsverbrechen zu verurteilen.

Es ist also kaum das Fehlen eindeutiger Verbots- und Strafnormen zu beklagen. Gerade letztere haben sich in den letzten Jahren so vervollkommnet, wie es sich die Schöpfer der Nürnberger Prinzipien und Tribunale vor 60 Jahren immer erhofft hatten. Das Problem liegt bei den Staaten, die zwar diese Normen geschaffen haben, die aber immer noch nicht bereit sind, sie zu befolgen und auch auf sich selbst anzuwenden. Dieses bleibt nach wie vor eine Aufgabe, die wir alle zu erfüllen haben.