Ein Gerechter unter uns

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Yad-Vashem würdigt Professor Eberhard Rebling

Nov.-Dez. 2007

Prof. Dr. Eberhard Rebling, Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ist am 11. Oktober 2007 in einer Feierstunde in der Israelischen Botschaft als »Gerechter unter den Völkern« geehrt worden. Jahrelang hatte er sich geweigert, die höchste Würdigung des Staates Israel für einen Nichtjuden anzunehmen. Er meinte, solange es keine entsprechende Auszeichnung für die vielen Juden gäbe, die Juden gerettet haben, schäme er sich, der einzige aus seiner Widerstandsgruppe zu sein, der als »Retter jüdischen Lebens« geehrt würde.

Nun trägt er als letzter Lebender für alle, die damals mit ihm Widerstand geleistet haben, doch noch den Ehrentitel, den Yad-Vashem vergibt. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad-Vashem ist eine Einrichtung des Staates Israel auch zur »Verewigung des Andenkens an die Märtyrer und Helden, die Juden gerettet haben«, zugleich ein Forschungszentrum zum Schicksal der europäischen Juden während der Zeit des Hitler-Faschismus. Der Name »Yad-Vashem« steht in einer Verheißung des Propheten Jesaja: »Und ihnen werde ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben, der niemals getilgt werden soll.«

Mit der Ernennung zum Gerechten wird die dankbare Anerkennung für jene zum Ausdruck gebracht, die mit persönlichem Einsatz unter Gefährdung des eigenen Lebens Juden gerettet haben. Eine Medaille, eine Urkunde und der Eintrag des Namens auf dem Memorial-Wall im »Garten der Gerechten« von Yad-Vashem, in dem die Namen von nahezu 23.000 Frauen und Männern aus allen Teilen Europas, darunter etwa 500 aus Deutschland, eingemeißelt sind, gehören dazu. Nathan Karp aus Jerusalem gestaltete die Medaille mit einem Text aus dem Talmud: »Wer immer ein Menschenleben rettet, hat damit gleichsam eine ganze Welt gerettet.« und symbolisiert sie mit Händen und Stacheldraht: »Die Hände, die eine Lebenslinie aus Stacheldraht umfassen, scheinen aus dem Nichts herauszuragen, während die Linie, die um den Erdball gewunden ist und ihm die treibende Kraft verleiht, aussagt, dass Taten wie die der ›Gerechten‹ die Existenz der Welt und unseren Glauben an die Menschheit bestätigen.«

Der Gesandte der Botschaft, Ilan Mor, überreichte Eberhard Rebling Medaille und Urkunde für gerettetes Leben und nannte dabei die Namen von Lin Jaldati, Reblings Frau, der Tochter Katinka, die 1941 geboren wurde, weitere Namen aus der Familie Lin Jaldati und Namen von Freundinnen und Freunden, die alle versteckt waren in dem Haus, das Rebling, selbst im Exil, eigens für die Bedrohten, gemietet hatte. Es lag abseits der Straße in der Stadt Naarden. Sie hatten im Haus umgehend doppelte Wände und auch doppelte Böden eingebaut für die verfolgten Juden und ihre Kinder. Zeitweilig lebten 20 Personen dort, die von niederländischen Sympathisanten in Sicherheit gebracht worden waren.

Der Kommunist Eberhard Rebling hatte Deutschland bereits 1930 verlassen, um in Holland Musik zu studieren. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht lebte er als Deserteur in höchster Gefahr, wenn auch geschützt durch gefälschte Papiere. Das Haus wurde im Juni 1944 verraten und alle Bewohner verhaftet. Rebling konnte von einem Transport flüchten. Im Archiv von Yad-Vashem sind Protokolle des Niederländischen Gerichtshofes, welche die Verhöre, den Verrat und die Verhaftung dokumentieren, erhalten. Das Yad-Vashem-Schreiben zur Verleihung des Preises schließt: »Nach dem Krieg verließ Eberhard Rebling mit seiner Familie die Niederlande und ließ sich in Ostdeutschland nieder.« Der 96-Jährige ist heute der Einzige, der noch bezeugen kann, was in der ›Villa Hohes Nest‹ in den Jahren 1943 bis 1944 vor sich ging.

Eberhard Rebling ist Hochschulprofessor, Autor vieler musikwissenschaftlicher Bücher und hat als Pianist seine Frau Lin Jaldati auf vielen Reisen durch Europa, Kanada, Süd- und Ostasien begleitet. Seit 1979 traten beide gemeinsam mit den Töchtern Jalda und Katinka auf und hielten das Erbe widerständiger jiddischer Lieder lebendig. Der Tod von Lin Jaldati 1988 beendete diese einzigartige musikalische Zusammenarbeit, doch Tochter Jalda setzt sie bis heute, quasi als ihr Lebenswerk, fort.

Bewegt nahm Eberhard Rebling die Ehrung entgegen und erinnerte an jene Mitbewohner, die nicht gerettet werden konnten. Er schloss: »Meine ungeteilte Aufmerksamkeit und mein Engagement gilt dem Widerstand gegen Neofaschismus und Krieg.«