Gedenken ohne Emotion?

geschrieben von Ulrich Sander

5. September 2013

An der Ruhr wird Faschismus »zeittypisch« dargestellt

Juli-Aug. 2011

In Essen wurde jetzt die Ausstellung »Widerstand und Verfolgung in Essen« abgewickelt und weggeschlossen. In Oberhausen ging man nicht ganz soweit. Seit 1966 wurden in der Gedenkhalle im Oberhausener Schloss zwei Dauerausstellungen zu Widerstand und Verfolgung in Oberhausen gezeigt, jetzt fand ein Themenwechsel statt. Oberhausen im Nationalsozialismus soll nun beleuchtet werden. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn wichtige inhaltliche und künstlerische Aussagen nicht plötzlich ganz gestrichen worden wären.

Die Lokalpresse fasste den Dissens, den Antifaschisten aus Opferverbänden ausgemacht haben, so zusammen: Die Ausstellung, »die nach zweijähriger Umbauzeit wieder eröffnet worden war« beschwöre einen Konflikt »um Emotionalität versus Rationalität« herauf. Die VVN-BdA hatte auf ihrer Homepage ausgeführt: »Die Erinnerung an den Arbeiterwiderstand wie an die Rolle der ökonomischen Eliten in Nazizeit und Krieg wurde aus dem Foyer und weitgehend auch aus der Ausstellung verbannt.« Sie wird von den Gedenkstättenmachern unter Leitung von Prof. Günter Morsch (Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten) als für das Heute nicht mehr »zeittypisch« angesehen. In diesem Zusammenhang monierte die VVN-BdA auch, dass ein Bilderzyklus des Oberhausener Künstlers Walter Kurowski »in den Keller verbannt wurde«. Im Mittelteil des jetzt aus der Gedenkhalle verschwundenen Wandbildes von Walter Kurowski waren ehemalige KPD- und KJVD-Mitglieder zu sehen, die zum Widerstand gehörten. Daneben ein Bild der Sängerin Fasia Jansen, Überlebende des KZ Neuengamme, ferner Porträts von Anne Frank und Sophie Scholl, und dann auch von Hugenberg bis Reusch, die ganze Elite der ökonomischen Nutznießer des Krieges und des Faschismus.

»Die alte Gestaltung der Ausstellung war sehr emotional«, sagt der Künstler Walter Kurowski. Die damals noch lebenden aktiven Widerstandskämpfer aus Oberhausen hätten ihre Erlebnisse geschildert. Zudem sei die Entstehung des Faschismus dokumentiert worden. Kurowski missfällt an der neuen Ausstellungskonzeption: »Wie der Faschismus in Oberhausen entstanden ist, wird nur noch am Rande erwähnt.«

Clemens Heinrichs, der Leiter der Gedenkhalle, schildert als Antwort einen Grundkonflikt: »Die Helden des Widerstandes sollten dargestellt und dadurch die Emotionen der Besucher angesprochen werden.« Doch genau diese emotionale Auseinandersetzung mit der Geschichte will man nicht. »Wir wollen keine Heldengeschichten«, stellt Heinrichs klar. Ihr Ziel: die Befähigung der Menschen zur eigenständigen analytischen Meinungsbildung.

Dabei beruft sich Heinrichs auf den sogenannten Beutelsbacher Konsens, Ergebnis einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung zusammen mit Politikdidaktikern im Herbst 1976. Danach soll Schülern keine Meinung aufgezwungen werden. Vielmehr solle der Unterricht sie in die Lage versetzen, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Auf den Artikel antworteten wir: Ein Ort, der sich Gedenkhalle nennt, soll emotionsfrei sein? Das kann doch nicht der Wille der Stadt Oberhausen sein. Und auch da, wo es um Rationalität geht – die auch ihre Berechtigung hat – ist zu widersprechen. Der Hinweis auf den sogenannten Beutelsbacher Konsens ist nicht angebracht. Denn danach soll bei strittigen Positionen im Unterricht keine Indoktrination walten. Die Sache ist nur die: Der Faschismus ist unstrittig das größte Menschheitsverbrechen. Soll Faschisten ein gleichberechtigter Platz im Diskurs gewährt werden? Dazu verweisen junge Menschen bei zahlreichen Demonstrationen gegen die Nazis auf die Erkenntnis: »Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen.«

Als die bisherige Ausstellung im Konsens mit den Opferorganisationen geschaffen wurde, war der Beutelsbacher Konsens schon zwölf Jahre alt. Niemand kam auf die absurde Idee, ihn gegen die Gedenkhalle und jene, die sie gestalteten, ins Feld zu führen, wie es jetzt geschieht. Die neue Gedenkhalle wurde ohne Abstimmung mit den Opferverbänden ausgestaltet. Jeder Gedanke an die Opferverbände wurde sogar verbannt. Es darf in dieser Sache nicht das letzte Wort gesprochen sein. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten ist gesprächsbereit.