Gedenkstättenkonzept in Sicht

geschrieben von Peter Ritter

5. September 2013

Umgang mit der Vergangenheit in Mecklenburg-Vorpommern

Nov.-Dez. 2009

Das Jahr 2009 war reich an Gedenktagen. Erinnert sei hier an den 90. Jahrestag der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, den 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, die 60. Jahrestage der Gründung der DDR und der BRD, den 20. Jahrestag der politischen Wende in der DDR. Diese Jahrestage waren jedoch nicht allein Anlass für die Fraktion Die Linke im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sich auf ihrer Herbstklausur in Greifswald mit dem Thema Gedenkstättenarbeit zu befassen. Anlass war auch die Tatsache, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Landeszentrale für politische Bildung dabei ist, ein Gedenkstättenkonzept für das Land Mecklenburg-Vorpommern zu erarbeiten. Angesichts der Erfahrungen, die auf Bundesebene und in anderen Bundesländern bei der Erarbeitung solcher Konzepte gesammelt wurden, will sich die Fraktion rechtzeitig in den Entstehungsprozess einbringen, ihre Erwartungshaltungen formulieren und Erfahrungen einfließen lassen.

Der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Jochen Schmidt, stellte den gegenwärtigen Stand der Konzepterarbeitung vor. Die Bestandsaufnahme kann sich dabei schon auf einen Gedenkstättenführer stützen. Alt-Rehse – »Führerschule der deutschen Ärzteschaft«, Barth – KZ-Außenlager und Kriegsgefangenlager, Neubrandenburg – Kriegsgefangenlager und sowjetisches Speziallager, Peenemünde – Heeresversuchsanstalt, die Synagoge in Röbel oder das »Grenzhus e.V.« in Schlagsdorf an der ehemaligen Grenze zwischen DDR und BRD werden hier beispielhaft als Gedenkorte genannt. Das Ziel der Gedenkstättenarbeit wird in diesem Gedenkstättenführer mit den Begriffen Gedenken, Mahnen, Forschen und Lernen beschrieben. Eine Zielsetzung, die auch die Gedenkstättenkonzeption des Landes aufgreifen soll. Eine erste Fassung des Konzeptes soll Anfang 2010 zu Debatte gestellt werden.

Aus der Praxis der Gedenkstättenarbeit berichteten auf der Fraktionsklausur Stefan Tanneberger vom »Friedenszentrum Anklam«, Jürgen Rostock vom »Dokumentationszentrum Prora« und Karsten Richter, Landesgeschäftsführer des »Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge MV«.

Das Anklamer Friedenszentrum hat die Gedenkstättenarbeit im ehemaligen Wehrmachtsgefängnis in Anklam übernommen. Bundes- und Landespolitik sind in der Unterstützung bislang sehr zögerlich. Die kommunale Ebene und das Friedenszentrum allein stehen ohne diese Unterstützung vor einer unlösbaren Aufgabe. Ähnlich ergeht es dem Prorarer Dokumentationszentrum. Das ehemalige »KdF-Bad« ist mit der Dauerausstellung »MACHTUrlaub« einer der wenigen authentischen Orte der Bau- und Sozialgeschichte des »Dritten Reiches«. Die Zukunft des Zentrums ist nach Verkäufen großer Teile der Anlage an einen privaten Investor mehr als fraglich. Die Erwartungshaltung der Fraktion Die Linke an ein Gedenkstättenkonzept ist deshalb: klare Aussagen zur Zukunft und zur Unterstützung solcher wichtigen Gedenkorte. Nicht mehr wegzudenken aus der Gedenkstättenarbeit ist die Jugendbegegnungsstätte auf dem Golm auf der Insel Usedom. Der Träger dieser Begegnungsstätte ist der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge. Das Motto des Bundes »Versöhnung über den Gräbern« ist hier durch zahlreiche Treffen mit deutschen und polnischen Jugendlichen gelebte Praxis. Sich hier einzubringen, ist angesichts der in dieser Region massiv agierenden NPD besonders wichtig.

»Gedenktage sind ohne Sinn, wenn sie nicht in Gegenwart und Zukunft hineinwirken.« Dieser Ausspruch Ernst Thälmanns gilt auch für die Gedenkstätten. Auch sie sind ohne Sinn, wenn sie nicht in Gegenwart und Zukunft hineinwirken. Diese Überlegung war Anlass für die Fraktion Die Linke im Landtag, einen Antrag zur Unterstützung von Klassenfahrten in KZ-Gedenkstätten einzubringen. Im Ergebnis einer umfassenden Debatte sind nun Mittel zur »Unterstützung von Klassenfahrten in KZ-Gedenkstätten und Gedenkstätten für Opfer der jüngeren deutschen Geschichte« in den Landeshaushalt eingestellt. Von Mitte 2008 bis 31. März 2009 wurden 39.701 Euro für Fahrten zu KZ-Gedenkstätten und 17.957 Euro für Fahrten zu Gedenkstätten der jüngeren deutschen Geschichte bewilligt. Vor- und Nachbereitung solcher Fahrten durch die Schulen und inhaltliche Begleitung durch die Landeszentrale für politische Bildung sind Bestandteil dieses Programms. Die genannten Schwerpunkte der Gedenkarbeit sollten auch in das erste Gedenkstättenkonzept des Landes einfließen.

Unser Autor ist Mitglied des Landtages in Mecklenburg-Vorpommern

Erfahrungen mit anderen Gedenkstättenkonzepten zeigen, dass es Versuche gibt, in der Gedenkstättenarbeit die DDR-Geschichte zu priorisieren und im formalen Diktaturvergleich mit der DDR das NS-Regime zu relativieren. Beides sollte im zukünftigen Gedenkstättenkonzept von Mecklenburg-Vorpommern nicht wiederholt werden.