Gestohlenes Land

geschrieben von Markus Tervoren

5. September 2013

»Heimatfilm« um den norwegischen Widerstandskämpfer Max
Manus

März-April 2010

Max Manus

Regie: Joachim Rønning, Espen Sandberg, Norwegen/Deutschland 2008, 118 Min

Vorab: Fans von spannendem Action-Kino werden diesen Film mögen. Fast zwei Stunden lang bietet er Unterhaltung, dramatische Verfolgungsjagden und Schießereien, beeindruckende Bilder, etwa im Hafen von Oslo, und gut aussehende junge Menschen und natürlich auch eine Liebesgeschichte.

Der norwegische Widerstandsbewegung gegen die deutschen Besatzer, die »Hjemmefront« (Heimatfront), der bis 1945 bis zu 50.000 Untergrundkämpfer- und Kämpferinnen angehörten, standen die norwegischen Kollaborateure der Nasjonal Samling (»Nationale Einheit«) von Vidkun Quisling gegenüber. Von 1942 bis zur Befreiung Norwegens 1945, war er Ministerpräsident der von den deutschen Besatzern eingesetzten norwegischen Marionettenregierung. 50.000 Mitglieder zählte die faschistische Partei Anfang 1945. Rund 6.000 Norweger kämpften als Freiwillige in der Waffen-SS. Oslos Polizeichef Knut Rød, organisierte die Deportation von 767 der etwa 1500 norwegischen Juden. 2500 Norweger wurden allein in das KZ-Sachenhausen deportiert. Über 10.000 Norwegerinnen fanden während der Besatzungszeit den Tod. Davon erzählt der Film nur wenig, aber norwegische Schüler werden es wohl im Geschichtsunterricht gelernt haben.

Der Protagonist des erfolgreichsten Films Norwegens ist der Widerstandskämpfer Max Manus (Aksel Hennie), einer der Köpfe der legendären Oslogjeng (Oslobande). Das Drehbuch basiert auf seiner Autobiographie. Dem norwegischen Widerstand wird hier mit großem Aufwand ein filmisches Denkmal gesetzt.

Alles beginnt im Winter 1939. Max Manus und sein Freund Kolbein Lauring kämpfen als Freiwillige im finnisch-sowjetischen Winterkrieg gegen die sowjetische Armee. Es wird ein traumatisches Erlebnis für den Abenteurer Manus, er wird während des Films immer wieder in Alpträumen dorthin zurückkehren, aber auch Quell seines überbordenden Selbstvertrauens und erster militärischer Kampferfahrung. 1940 gehört Max Manus zu einer Gruppe junger Männer, die sich nicht mit der Besetzung Norwegens durch die Nazis abfinden wollen. Die ersten Widerstandsaktionen der erklärten Patrioten, der ins englische Exil geflohene König Haakon VII ist ihr Idol, sind spontan, unbekümmert, amateurhaft und unvorsichtig. Die Deutschen unter Führung des Gestapo-Chefs und filmischen Gegenspielers von Max Manus, Siegfried Fehmer (Ken Duken) verhaften nach einer Flugblattaktion etliche Mitglieder der Gruppe. Auch Max Manus selbst wird schwer verletzt verhaftet, doch ihm gelingt die Flucht aus dem bewachten Krankenhaus. Die Widerstandsbewegung schmuggelt ihn nach Schottland, wo der norwegische Widerstand von der britischen Armee militärisch geschult und koordiniert wird. Gemeinsam mit seinen Kameraden, darunter seinem besten Freund Gregers, kehrt er per Fallschirm nach Norwegen zurück. Im Hafen von Oslo versenken die Saboteure 1943 wichtige deutsche Versorgungsschiffe und sprengen die Archive des Arbeidskontorets in Oslo, einem Ableger des Reichsarbeitsdienstes.

Ein zweiter Strang des Filmes beleuchtet die seelischen und moralischen Widersprüche von Max Manus. Während er immer wieder der Gestapo entkommt, wird seine Gruppe immer weiter dezimiert, seine Freunde werden von den Nazis getötet, die Nazis erschießen Helfer und Geiseln aus der Zivilbevölkerung als Antwort auf erfolgreiche Sabotageakte, eine Entwicklung, an der Max Manus zusehend zerbricht. Warum habe gerade ich überlebt? Diese Frage wird sein zentrales Dilemma. Er erlebt die Befreiung nicht als strahlender Sieger, sondern einsam als Alkoholiker und seelisches Wrack.

Der große Wurf gelingt dem Film allerdings nicht. Außer Max Manus bleiben die Figuren seltsam blass. Über ihre Motive gibt allein Max Manus eine Auskunft. »Mein Land ist mir gestohlen worden – ich will es mir zurückholen« antwortet er seinem militärischen Ausbilder in Schottland auf die Frage nach seinem Motiv. Was ihn außer Abenteuerlust nach Finnland trieb, bleibt unbeantwortet. Der Zuschauer erfährt zuwenig darüber, was sich hinter der Parole des Widerstands »Für König und Vaterland« verbirgt. Die besonderen Bedingungen des Widerstands in Norwegen, das ja nicht wie z.B. Polen ausgelöscht werden sollte, (die Nazis planten das »nordische Volk« nach dem deutschen »Endsieg« in ein Großgermanisches Reich zu integrieren), werden nicht beschrieben. Allenfalls, als Max Manus in einer fast sportlichen Geste nach der Befreiung 1945 seinem Gegenspieler, dem inzwischen inhaftierten Gestapo-Chef Fehmer die Hand reicht, leuchten die Unterschiede kurz auf.

Mein Fazit: »Max Manus« bleibt ein sympathischer, durchaus antifaschistischer »Heimatfilm«.