Heimatbraune Dichtkunst

geschrieben von Raimund Gaebelein

5. September 2013

Niederdeutsche Heimatbewegung im Nationalsozialismus

Sept.-Okt. 2006

Ferdinand Krogmann, Waldemar Augustiny:

„‚Schöngeist‘ unterm Hakenkreuz. Ein Beitrag zur niederdeutschen Heimatbewegung im Nationalsozialismus“, VDG Verlag, Weimar 2005, 138 Seiten

Worpswede gilt Kunstbeflissenen als Künstlerdorf und Malschule. Der Barkenhoff Heinrich Vogelers und der Parisaufenthalt Paula Becker-Modersohns täuschen leicht über den erdverbundenen Naturromantizismus eines Fritz Mackensen hinweg, der schon 1911 mit anderen Worpsweder Malern einen Protestaufruf Carl Vinnens gegen die „Überschwemmung“ Deutschlands mit großen Massen französischer Bilder verfasste. Die Worpsweder Schule begründete eine „Heimatkunstbewegung“ gegen die als undeutsch denunzierten Impressionisten. 1933 wurde Fritz Mackensen vom Bremer Senat zum Direktor einer „Nordischen Kunsthochschule“ berufen, mit der Aufgabe „Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers“ (Wümme Zeitung vom 12. April1934).

Für den Worpsweder Historiker und Journalisten Ferdinand Krogmann ist „Heimatkunst“ keineswegs die unschuldige Suche nach der blauen Blume. Am Beispiel des Worpsweder Schriftstellers und Bundesverdienstkreuzträgers Waldemar Augustiny (1897-1979) versucht er, ihre tiefe Verstricktheit in die Blut-und-Boden-Mystik nachzuweisen.

Krogmanns Studie beruht auf intensivem Quellenstudium und Auswertung bis dahin unbekannter und unveröffentlichter Dokumente. Der vorliegende Band entstand aus Anlass eines jahrelangen Rechtsstreits wegen einer Zeitungsveröffentlichung des Verfassers.

Augustiny charakterisierte sich 1950 selbst als „Standhaften, der Wahres gedacht und das Eigene nicht verleugne“. Er setzte sich ein für eine von fremden Einflüssen freie deutsche Kunst, die „mit der Landschaft und den Menschen der Heimat verwurzelt sein sollte“. 1933 erschien sein erster Roman „Die Fischer von Jarsholm“, demzufolge eine Gemeinschaft „nur unter Opfern“ geboren werden kann. 1950 sollte er in einer geschönten Fassung dem Helden den Opfertod ersparen. Die dörfliche Gemeinschaft der Fischer in Augustinys Werk ist ein „Modell für die Volksgemeinschaft“. In seinem erfolgreichen zweibändigen Roman „Die große Flut. Chronik der Insel Strand“ propagierte Augustiny 1943 in übler Form das Gebot der Rassentrennung und der Reinhaltung der Rasse. Eigens zu diesem Zwecke wurde er vom Wehrdienst freigestellt. Der Untergang der Insel Strand 1634, so meinte er, beruhe darauf, dass sie „ganze Völkerschaften der Deiche wegen dulden“ musste. Fremde (Holländer und Flamen!) „beflecken das Leben der Gemeinden“, damit wird die „alte, geheiligte Ordnung“ zersetzt: „Eine Tochter, die von einem Fremden ein Kind erwartet, verdient nichts anderes als den Tod durch das Wasser“.

Waldemar Augustiny wurde zum Vorsitzenden des Entnazifizierungsausschusses in Osterholz-Scharmbeck berufen. So konnte er guten Freunden wie Georg Grabenhorst, ehemaliger Landesleiter der Schrifttumskammer Hannover, August Hinrichs, ehemaliger Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Weser-Ems, oder Agnes Miegel Persilscheine ausstellen. 1950 begann Augustiny, sich vorsichtig von Freunden wie Hans Grimm zu distanzieren, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatten und sich in ihren öffentlichen Reden „unklug“ und „herausfordernd missverständlich“ ausdrückten. Anlässlich seines 80. Geburtstags behauptete Waldemar Augustiny von sich selbst, ein halbes Jahrhundert „eingesponnen“ gelebt zu haben als freier Schriftsteller am Rande des Teufelsmoors. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem Lebenswerk zeigte er sich weder willig noch fähig.