Hübsche Kriege ohne Ziel

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden

Jan.-Feb. 2013

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2, Dresden Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag 10 bis 18 Uhr, Montag 10 – 21 Uhr, Mittwochs geschlossen

Eintritt: 5 Euro/3 Euro. Ausstellungskatalog, 192 Seiten, 10,00 Euro

www.mhmbw.de

Wenn eine Armee sich ein Museum baut, kommt über politische und kulturelle Grenzen hinweg dabei im wesentlichen das Gleiche heraus: Eigene Waffen, Ausrüstungen und Heerführer werden vorteilhaft ins Licht gerückt, vollbrachte Glanztaten herausgestellt und Legitimation für neue Taten beansprucht. Das im 19. Jahrhundert in Dresden angelegte sächsische Armeemuseum wirkt denn auch architektonisch wie ein Weihetempel des Wehrwillens. Von allen ansässigen Armeen verwendet, kam es 1990 an die Bundeswehr. Ihre Kuratoren ließen sich bis zur Eröffnung ihres »Militärhistorischen Museums« bis 2011 Zeit. Sie erheben den Anspruch eine »kritische, differenzierte und ehrliche Auseinandersetzung mit Militär, Krieg und Gewalt in Vergangenheit und Gegenwart« zu führen. Dazu bedient man sich modernster Präsentationstechniken und vielfältiger und teils drastischer und spektakulärer Exponate. Mit Daniel Libeskind wurde ein über jeden Militarismusverdacht erhabener Architekt engagiert, der die autoritäre Wirkung der historischen Kasernen- und Museumsanlage mittels eines keilartigen Neubaus gekonnt aufgehoben hat.

Die Dauerausstellung arrangiert in drei Blöcken die deutsche Militärgeschichte von 1300 bis 1914, 1914 bis 1945 und 1945 bis heute. Erster und Zweiter Weltkrieg werden zusammen als »zweiter Dreißigjähriger Krieg« thematisiert. Bundeswehr und NVA in den Zeiten der Ost-West-Konfrontation werden gleichgewichtig und mit kritischem Abstand dargestellt. Man gruselt sich beispielsweise vor einem »Atomexplosionssimulator« der Bundeswehr – einem teekistengroßem Feuerwerkskörper mit Blendwirkung und schönem Rauchpilz – mit der diese in den 60er Jahren allen Ernstes glaubte, ihre eigenen Soldaten an den Atomkrieg gewöhnen zu können. Die Geschichte der Bundeswehr wird bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Zusätzlich gibt es thematische Einheiten, z.B. zu »Krieg und Leiden« und »Politik und Gewalt«. Sowohl die militanten Traditionen der Arbeiterbewegung, die NVA als auch der Pazifismus der 80er Jahre werden weitgehend fair dargestellt. Selbst die große Rolle von NS-belasteten Militärs beim Aufbau der Bundeswehr wird selbstkritisch reflektiert

Der Ehrgeiz der Kuratoren ist hoch. Man wolle sich in der internationalen Museumslandschaft behaupten. Doch was heißt das eigentlich? Die Architektur des Museums liefert einen ersten Hinweis. Libeskind gilt als derjenige, der dem Holocaust 2001 durch die Formensprache des »Jüdischen Museum« in Berlin mit seinen kippenden Wänden und leeren Räumen Ausdruck verliehen hat. Aus der selben Zeit stammt sein Umbauentwurf für das Militärhistorische Museum. Das ernüchtert. Die selben Bauelemente ergeben nach wie vor interessant geschnittene Räume, die keine Langeweile aufkommen lassen. Aber sie sind doch nur ein Markenzeichen – um nicht Masche zu sagen – eines in grauen Beton verliebten Architekten. Anwenden lassen sich die Stil-elemente offensichtlich auf beliebige Themen. Ergebnis dieses Bauens ist auch eine mittelschwere räumliche Verwirrtheit der Besucher.

Zahlreiche weitere ästhetische Reize werden durch Kunstwerke aus Malerei, Film und Installation verabreicht, die sich mehr oder weniger kritisch mit Krieg beschäftigen. Insbesondere werden aber zahlreiche Exponate selbst ästhetisiert. Eindringlich wirkt das schwebend arrangierte, nämlich an fast unsichtbaren Fäden aufgehängte, Kriegsgerät. Ob bewusst oder nicht, imitieren die Kuratoren dabei Elemente künstlerischer Installationen. Das Motiv der »explodierenden Handgranate« findet man beispielsweise im Museum für zeitgenössische Kunst in Barcelona als »explodierende Wand« wieder. Und wenn man sich dann erschöpft im stilvollen Restaurant zu einem hervorragendem Essen niederlässt, wähnt man sich endgültig in einer Kunsthalle.

Der Besucher stößt auf zwei weitere erhebliche Probleme, nämlich die Gewichtung der Einzelthemen und die Zusammenhanglosigkeit der Ausstellung. Zwar muss man zugestehen, dass in einem Museum mit so weitgefasster Thematik nicht alles dargestellt werden kann. Aber dass die Waffen-SS kaum umfangreicher als der Rotfrontkämpferbund der KPD auftaucht, irritiert doch. So sachlich und ausgewogen viele Einzelbetrachtungen sind, so erklärungslos ist die Ausstellung im Ganzen. Aus dem lobenswerten Ansatz, den Besucher nicht bevormunden zu wollen, wird unter der Hand die Negierung entscheidender historischer Sachverhalte. So erschließen sich weder die deutsche Kriegszielpolitik des Ersten Weltkrieges noch die des Nazismus und die sich daraus ergebenden Massenmorde. Es fehlt die Darstellung des »Generalplan Ost« im expliziten wie übertragenden Sinne. Die Frage »warum die das eigentlich gemacht haben« wird nicht gestellt und nicht beantwortet. Stattdessen flüchten sich die Ausstellungsmacher in anthropologische Betrachtungen, nach denen Kampf und Konflikt nun einmal zu jeder Gesellschaft gehörten.