Lesung in der Ostkurve

geschrieben von Ulrich Schneider

5. September 2013

Peter Gingolds autobiographische Texte finden interessierte
Zuhörer

Juli-Aug. 2010

Auch wenn bereits Lesungen von Hamburg bis Freiburg, von Köln bis Frankfurt/Oder stattfanden, gibt es noch einige »weiße Flecken« auf der Tournee-Landkarte. Wer eine solche Lesungen in seiner Stadt organisieren möchte, kann sich über das Bundesbüro der VVN-BdA, an Alice Czyborra, Silvia Gingold oder Ulrich Schneider wenden.

Im Frühjahr 2009 erschienen unter dem Titel »Paris Boulevard St. Martin No. 11« in der »Kleinen Bibliothek« im PapyRossa Verlag die autobiographischen Aufzeichnungen des bekannten jüdischen Antifaschisten und Kommunisten Peter Gingold, in denen er aus Resistance und politischer Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland berichtete. Hatte der Verlag anfangs Bedenken, ob sich dieses Buchprojekt in dem erwarteten Umfang tragen würde, wurden alle Beteiligten sehr bald positiv überrascht. Schon im Herbst 2009 konnte die zweite, leicht verbesserte Auflage erscheinen.

Zu dieser großen Resonanz haben sicherlich auch Lesungen aus dem Buch beigetragen, die von den Töchtern Alice Czyborra und Silvia Gingold und mir seit dem Frühjahr 2009 in verschiedenen Teilen der Republik durchgeführt werden. Beginnend mit einer Lesung zum 8. Mai 2009 in Kassel fanden bis heute knapp 25 Lesungen mit etwa 1200 Zuhörern statt.

Die meisten Veranstaltungen wurden von VVN-BdA Kreisvereinigungen oder Basisorganisationen organisiert. Oft wurden die Lesungen aber auch genutzt, um Bündnisse mit anderen Organisationen und antifaschistischen Initiativen zu schmieden, ganz so wie es Peter Gingold selber gern tat.

Mit großem Erfolg wurde das Buch auch auf dem UZ-Pressefest 2009 in Dortmund präsentiert. Die Lesung fand – wie konnte es anders sein – im Hessenzelt statt. Über 100 Zuhörer lauschten am Samstagnachmittag den Texten, die von Alice Czyborra, Silvia Gingold und mir ausgewählt worden waren.

Zwei weitere Großlesungen gab es im Herbst 2009 in Frankfurt und Nürnberg. Anlässlich der Frankfurter Buchmesse lud ein breiter Veranstalterkreis zur Lesung ins Gewerkschaftshaus ein. Über 120 Zuhörer füllten den Saal, eine Songgruppe umrahmte den Vortrag mit Liedern aus dem Widerstand. Auf der Linken Literaturmesse in Nürnberg bildete die Lesung aus Peter Gingolds Erinnerungen die Auftaktveranstaltung. Und sie hielt, was die Veranstalter sich erhofften. Gut 100 interessierte Zuhörer gestalteten diesen Abend zu einem eindrucksvollen Bekenntnis zum Antifaschismus.

Aber es waren nicht nur die großen Besucherzahlen, die uns im Gedächtnis bleiben werden. Auch kleinere Veranstaltungen mit 15 oder 20 Besuchern gestalteten sich oft sehr intensiv. Bestand doch dort nach der Lesung die Möglichkeit des direkten Gespräches über das Gehörte und des Austausches von Eindrücken und Erinnerungen an Peter. Immer wieder erlebten wir, dass Zuhörer sich durch die Lesung angeregt fühlten, ihre ganz persönlichen Erinnerungen an gemeinsame politische Aktionen oder einzelne Begebenheiten, mit denen Peter Gingold ihnen in Erinnerung geblieben ist, vorzustellen. So bleibt die Erinnerung an einen der »Großen« des antifaschistischen Kampfes lebendig.

Eine Form indirekter politischer »Wiedergutmachung« war die Lesung in Frankfurt/Oder im Januar 2010. In dieser Stadt, wo Peter Gingolds Auftreten vor einigen Jahren zu einer politischen Auseinandersetzung geführt hatte, konnten nun Silvia und Alice in der Viadrina-Universität eine eindrucksvolle Lesung durchführen.

Eine besondere Veranstaltung, die sicherlich auch Peter Gingold zu Lebzeiten großen Spaß gemacht hätte, gab es in Bremen. Sie fand im Ostkurvensaal des Weserstadions gemeinsam mit dem Fan-Projekt statt. 50 Gäste, meist junge Erwachsene, lauschten hochkonzentriert fast eine Stunde lang den Texten, die Silvia und ich darboten. Ein anderer Zugang zu jugendlichen Zuhörern, der auch immer Peters Anliegen war, wurde mit Lesungen vor Schulklassen gefunden. Es liegen bereits weitere Anfragen vor, wobei solche Veranstaltungen auch eine Art Ersatz sein können für Zeitzeugen-Gespräche, die ja immer seltener möglich sind. Aber auch als Programmteil geschichtspolitischer Veranstaltung wurde die Lesung genutzt. In Hamburg las Alice Czyborra auf einer Veranstaltung zum Gedenken an den siegreichen Pariser Aufstand von 1944, in Karlsruhe traten Silvia Gingold und ich zum 8. Mai beim deutsch-französischen Befreiungsfest auf. In beiden Fällen erwiesen sich die historischen Texte von Peter Gingold als klare Botschaften gegen jede Form von Geschichtsrevisionismus.

Einen ganz eigenen Reiz hatten die Lesungen, an denen Juri Czyborra und Joscha Gingold beteiligt waren. Zeigten doch hier die Enkel ihre persönliche Sicht auf die Erinnerungen des Großvaters, der für die meisten Zuhörer vor allem der antifaschistische Kämpfer war. Ein interessanter Einblick in eine antifaschistische Familientradition.