Mit Antikapitalismus zum Erfolg

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Neonazis machen Linken die soziale Frage streitig

Jan.-Feb. 2007

Das vergangene Jahr war für die neofaschistische NPD nahezu durchweg von politischen Erfolgen gekrönt. Die Neonazis zogen in Fraktionsstärke in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, das Schweriner Schloss, ein und auch die gesellschaftliche Akzeptanz rechtsextremer Meinungsbilder in der Bevölkerung scheint stetig zu wachsen. Eine im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführte Studie kam Anfang November zu dem Ergebnis, dass fast 40 Prozent der befragten Bürger dem Satz zustimmt, dass die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet sei. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung unterstützt die Feststellung, Deutschland brauche eine „einzige starke Partei“, die die „Volksgemeinschaft“ verkörpere.

Unter anderem ob dieser Ergebnisse befinden sich die Wortführer der NPD in Feierlaune. Ein weiterer Grund findet sich in der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen NPD, DVU und den so genannten Freien Kameradschaften im Rahmen des „Deuutschlandpaktes“. Ihre Bündnispolitik habe seiner Partei deutliche Erfolge beschert; sie werde konsequent fortgesetzt, frohlockte beispielsweise NPD-Chef Udo Voigt erst kürzlich im Parteiorgan Deutsche Stimme. Er bezeichnete den „Deutschlandpakt“ als „Schlüssel für weitere Erfolge“. Die bessere Koordinierung der rechtsextremen Gruppen und Parteien ist jedoch nur ein Grund für den Vormarsch der NPD und ihrer Kader innerhalb und außerhalb der Parlamente. Die Neofaschisten arbeiten gleichzeitig zielstrebig daran, immer breiteren Bevölkerungsschichten zu suggerieren, sie würden ihre Interessen am konsequentesten vertreten. Schon jetzt besteht die Anhängerschaft der NPD mitnichten nur aus „Wendeverlierern“ und sozial Deklassierten. Vielerorts – vor allem in kleineren Kommunen – sind es honorige Bürger, die mit der Partei sympathisieren und sie offen unterstützen und der NPD zeitweise Wahlergebnisse von bis zu 30 Prozent bescheren.

Vor allem ihre in Sachen Sozialpolitik dargestellten Positionen waren es, die den Neonazis den Weg in Parlamente und in die Herzen etlicher Bürger öffnete. Schon heute lässt sich belegen, dass es sich bei vielen NPD-Anhängern keineswegs um Protestwähler handelt. Vielmehr ist es der bunte Strauß ihrer sozialen, pädagogischen und kulturellen Angebote, der die Neonazipartei vielen als „normale“ Kraft der Mitte erscheinen lässt.

Nachdem vor allem der Osten der Republik von den Neonazis als Testfeld für augenscheinlich soziale Propaganda genutzt wurde, wird das Erfolgsmodell „Antikapitalismus von Rechts“ nun auch von den NPD-Aktivisten im Westen Deutschlands übernommen. Erst in diesem Jahr startete der hessische NPD-Kreisverband Main-Kinzig die Aktion „NPD-Jugendhilfe“.

„Während Gesellschaft und etablierte Parteien immer nur davon reden, dass man die Jugend unterstützen muss, oder dass eben gar nichts für Jugendliche getan wird, wollen wir hier etwas ändern“, schrieben die Neofaschisten im Internet. Sie kündigen an, Jugendlichen unter anderem bei der Lehrstellensuche zu helfen. Beraten werden soll der Nachwuchs in spe aber auch bei Alltagsproblemen, Fragen zur Suchtprävention und bei der Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche. „Genau hier wollen wir tätig werden. Wir wollen uns die Zeit für Jugendliche nehmen, die viele Menschen in unserem Land nicht aufbringen können“, tönte die NPD Main-Kinzig. Andere Kreisverbände folgten.

Bereits seit einigen Jahren hat die NPD ihren altbacken wirkenden Politikstil zu Gunsten eines antikapitalistischen Kurses aufgegeben. Ihre Aktivitäten reichen von der Hausaufgabenhilfe für leistungsschwächere Schüler bis hin zu Sozialberatungen für Hartz-IV-Empfänger. Hinzu kommen nationale Gesangsvereine, die in Altersheimen auftreten, Kletterkurse und Straßenfeste für Kinder. Vor allem in ländlicheren Regionen ist es der NPD gelungen, die zivilgesellschaftliche Vereinskultur maßgeblich mit zu gestalten.

Dies sieht auch die NPD selbst so. Ihr politischer Vordenker, der sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel, machte Teile der politischen Linken erst kürzlich in seiner Schrift „Der Abschied der Linken von der sozialen Frage“ für die jüngsten Erfolge der „Nationalen“ verantwortlich. Gansel bezeichnet den Nationalismus als „Schutzmacht der ‚kleinen Leute'“ und konstatiert, dass die Linke „zwar noch die bekannte Sozialrhetorik im Repertoire“ habe, die soziale Frage jedoch de facto aufgegeben habe und sich dadurch selbst in Frage stelle. Dadurch werde es Nationalisten künftig noch leichter fallen, die Position des „Antikapitalismus“ aus den Traditionsbeständen der Linken herauszubrechen und mit nationalen Inhalten „aufladen“ zu können, so Gansel weiter.

Damit eben diese Strategie nicht noch weiter von Erfolg gekrönt wird, sollte die Linke sich dringend bemüßigt fühlen, ihre in den vergangenen Jahren vertretenen Inhalte kritisch zu hinterfragen und sich die soziale Frage und eine offensive antiimperialistische Antikriegsposition wieder vermehrt zu eigen zu machen. Verordnete Denkverbote, die von augenscheinlich antifaschistischer Seite in Richtung des linken Publizisten Jürgen Elsässer ausgesprochen wurden, der einige kritische Anregungen in Richtung antifaschistische Bewegung formulierte, helfen da wenig. Elsässer hatte unter anderem festgestellt, dass „mit Staatsknete Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert“ werde, während „die Proleten auf Hartz IV gesetzt“ würden und „sich oft auch keine Kita, kein Schwimmbad und keine warme Wohnung mehr leisten“ könnten. Eben dies beschreibt nun einmal die gesellschaftliche Realität, die die Neonazis für sich zu nutzen wissen. Das 12. Antifajugendtreffen der VVN-BdA sollte genutzt werden, eben dies solidarisch zu diskutieren.