Mosess »Moe« Fishman

geschrieben von Victor Grossman

5. September 2013

Ein Amerikaner im Spanischen Bürgerkrieg

Nov.-Dez. 2007

Der schlanke, adrett gekleidete ältere Herr mit dem schmalen Schnurbart und dem hinkenden Gang war bei einer erstaunlichen Zahl von internationalen Begegnungen anzutreffen. Seine Behinderung stammte aus dem Spanischen Bürgerkrieg – schon bei seiner ersten Schlacht um Brunete zerschmetterte ihm die Kugel eines Faschisten das Bein. Als Folge davon verbrachte er ein Jahr der Genesung in Spanien und zwei weitere Jahre in amerikanischen Krankenhäusern. Beugen konnte er das Bein nie wieder. Charakteristisch für Moe Fishman: Er lernte auch nie, das Rückgrat zu beugen, Katzbuckeln kam für ihn einfach nicht in Frage.

Moe verließ die Schule in New York mitten in der Großen Krise – seinen amtlichen Namen Mosess (mit doppeltem »s«) verdankte er den mangelnden Schreibkenntnissen eines Standesbeamten. Er arbeitete in Wäschereien und als LKW-Fahrer, wurde aktiver Gewerkschafter und trat, wie recht viele junge New Yorker zu jener klassenkämpferischen Zeit, in die Jungkommunistenliga ein.

Als der Putsch der Generale gegen die gewählte Regierung in Spanien begann, binnen Tagen von Mussolini und Hitler unterstützt, meldete sich Moe für die Internationalen Brigaden. Er hatte keine militärische Erfahrung, konnte aber LKW fahren. Man wollte ihn jedoch nur nach Spanien lassen, wenn er noch zehn weitere Freiwillige rekrutierte. Das tat er, nur verschwanden die zehn als es tatsächlich losging. Moe durfte im April 1937 trotzdem fahren; doch schon im Juli erlitt er seine schwere Verletzung.

Noch während der Genesung in New York setzte er sich für die spanischen Flüchtlinge ein und lernte außerdem Funker, denn wenn ihn auch die US Army nicht mehr nehmen wollte, in die weitaus gefährdetere Handelsmarine durfte er eintreten.

Nach dem Krieg engagierte sich Moe aktiv in der Organisation der »Veteranen der Abraham Lincoln Brigade«. Als der Kalte Krieg eisiger wurde, geriet diese Organisation mit auf die Liste der »subversiven Organisationen«, die der Justizminister des Präsidenten Harry Truman aufstellte. Deren Mitglieder verloren fast überall ihre Arbeitsstellen; viele Spanienveteranen verzichteten daher auf ihre weitere Mitarbeit, was beinahe zur Auflösung ihrer Organisation geführt hätte. Zwei Veteranen blieben trotz allem standhaft, Milton Wolff, der letzte Kommandeur der »Lincolns« und Moe Fishman. Sie erhielten Vorladungen, wurden sogar angeklagt, gaben aber nicht auf. Nach jahrelangem Kampf und grundlegenden politischen Veränderungen in den 70er-Jahren siegten sie endlich. Die »Liste der Subversiven« wurde selbst für verfassungswidrig befunden. Moe blieb 50 Jahre als Exekutivsekretär dabei, von seinem kleinen Büro in Manhattan aus hielt er die Fäden zu der mutigen Schar der Lincoln-Veteranen zusammen, welche, in vielen Bundesstaaten verstreut, bald wieder aktiv wurden. Gegen den Vietnamkrieg, gegen Rassismus, gegen die kriegerische Einmischung in Kuba, Chile, Nikaragua, und immer wieder gegen Franco und mit Hilfe für seine Opfer – die alternden aber begeisterten Lincolns waren in jeder größeren Demonstration zu sehen. Jedes Jahr versammelten sie sich zu einem großen Treffen, oft mit bekannten Sängern und Schauspielern wie Pete Seeger und Harry Belafonte. Gemeinsam setzten sie auch durch, dass endlich Denkmäler für die sonst vergessenen, so genannten »verfrühten Antifaschisten« im Bundesstaat Washington, in Wisconsin, New York und auch in San Francisco errichtet wurden. Die Lincoln-Veteranen nahmen an vielen internationalen Treffen teil. Moe war fast immer und überall dabei. Er hielt leidenschaftliche Reden, auch gegen die neuen Angriffe menschenfeindlicher Generäle zum Beispiel gegen die Völker im Irak und in Afghanistan. Zum 60. Jahrestag der Gründung der Internationalen Brigaden 1996 erhielt er gemeinsam mit damals noch vielen internationalen Kameraden in Madrid die Ehrenbürgerschaft Spaniens. Zum letzten Mal habe wir ihn vor einem Jahr in Spanien getroffen. Er blieb bis vor kurzem erstaunlich kraftvoll, scheinbar unermüdlich. Nur der Krebs war stärker; Moe, inzwischen schon 92 Jahre, starb am 6. August in New York.