Ofenbauer von Auschwitz

geschrieben von Richard Häsler

5. September 2013

»Erinnerungsort« am ehemaligen Firmensitz von Topf &
Söhne

März-April 2011

»Stets gern für sie beschäftigt empfehlen wir uns Ihnen bestens…« so unterzeichneten die Ofenbauer von Auschwitz ihre Geschäftsbriefe an die SS. Die Geschichte einer ganz normalen deutschen Firma wird auf deren ehemaligen Gelände zum Erinnerungsort.

Staatsminister Bernd Neumann eröffnet am 27.Januar 2011 anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, zusammen mit der Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen, Christine Lieberknecht, und Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Dietzel, den Erinnerungsort »Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz« am ehemaligen Firmensitz in Erfurt. Die Firma hatte die Verbrennungsöfen für die Konzentrationslager gebaut . Sie deckte Kommunisten und Juden unter ihren Mitarbeitern – und beteiligte sich zugleich aktiv an der technischen Vervollkommnung des Massenmordes. Firmenleitung und Mitarbeiter waren keine überzeugten Nationalsozialisten. Sie profitierten nicht einmal sonderlich von ihrem Tun. Es war ein Streben nach technokratischer Vollkommenheit und narzisstischer Geltungssucht gegenüber den Mächtigen des III. Reiches, der sie im vorauseilenden Gehorsam Lösungen entwickeln ließ, welche die Tötungstechnik der SS effizienter gestaltete. Sie machten sich im hohen Maße, ohne jeglichen Zwang mitschuldig am Massenmord in den Konzentrationslagern.

Der Erinnerungsort in Erfurt ist der erste, welcher die Mittäterschaft eines privaten Unternehmens und seiner Mitarbeiter an den Verbrechen des Nationalsozialismus dokumentiert. Doch es war ein langer Weg bis hierher. Anfang der 90er-Jahre erregte eine Studie des französischen Historikers Jean-Claude Pressac weltweit Aufsehen: Erstmals wurde die Technik der Massenvernichtung in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern ausführlich beschrieben. In dem Buch »Die Krematorien von Auschwitz« tauchte auch immer wieder ein Firmenname auf: Topf und Söhne, Firmensitz Erfurt. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände wurden zu DDR-Zeiten Anlagen für Mälzereien hergestellt. In all den Jahrzehnten wurde die Geschichte nie grundlegend erforscht. Nach der Wende stritten die Erben, forderten ihr ehemaliges Eigentum zurück. Innerhalb der Familie regte sich Widerspruch. Der Journalist Hartmut Topf, ein Urenkel des Firmengründers, forderte eine offensive Auseinandersetzung mit der Firmengeschichte. Es gründete sich ein Förderkreis, der sich für einen teilweisen Erhalt der Betriebsanlagen einsetzte und es mehrten sich Stimmen für eine Gedenkstätte auf dem Firmengelände. Zwar standen Land und Stadt dem Mahnmal wohlwollend gegenüber, aber ein deutliches Ja oder Nein war den Verantwortlichen nicht abzuringen. Zu groß war zunächst die Angst, das Image der Stadt zu beflecken und Investoren zu verschrecken. Linke Gruppen quartierten sich 2001 auf dem Gelände ein. Sie sorgten mit verschiedenen Aktionen immer wieder für Aufsehen. Sie wollten in der einstigen Fabrik ein selbst verwaltetes Jugendzentrum aufbauen und organisierten Veranstaltungen zur NS-Mittäterschaft der Firma »Topf & Söhne«. Erst im Jahr 2004, mehr als zehn Jahre nach der Buchveröffentlichung über die »Krematorien von Auschwitz«, wurde die Industriebrache unter Denkmalschutz gestellt.

Den Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung bildet eine künstlerisch inszenierte historische Lesung. Acht Schülerinnen und Schüler der Geschichtskurse der Klassenstufen 11/12 des Goethegymnasiums in Weimar traten in eine fiktive Gesprächsrunde zum Thema »Technik ohne Moral« ein und übernahmen die Rollen von Personen, die vor 1945 mit den SS- Geschäften der Firma Topf Söhne in Berührung kamen. Der Firmeninhaber und kaufmännische Leiter Ernst Wolfgang Topf, der die Firma nach vermeintlicher Familientradition leitete und vergrößerte. Der Prokurist Fritz Sander, der ein eigenes Modell eines kontinuierlich arbeitenden Verbrennungsofens für den Massenbetrieb entwickelte. Auch Kurt Prüfer kam vor, jener Ingenieur und spätere Oberingenieur, der als Experte vor Ort ein Dutzend Mal die SS beriet. Er erfand auch ein Verfahren zur Beschleunigung des Gasmordes. Zu Wort kam ebenfalls der Reisemonteur Heinrich Messing, Mitglied der kommunistischen Widerstandsgruppe in der Firma. Er installierte die Lüftungstechnik der unterirdischen Gaskammern in Auschwitz. Wie das Tötungsgeschäft funktionierte, dazu befragte man fiktiv den polnisch-jüdischen Sonderkommandohäftling Henryk Tauber. Er musste die Leichen aus den Gaskammern holen, Goldzähne und Haare entfernen und sie dann in den von der Firma Topf & Söhne aus Erfurt hergestellten Krematoriumsöfen verbrennen.