Schleichend relativiert

geschrieben von Jonny Michel, Chemnitz

5. September 2013

Biographien werden umgeschrieben

Mai-Juni 2007

Jetzt hat endlich einer ein Machtwort gesprochen. Und das ausgerechnet während einer Trauerfeier.

Der jüngst verstorbene ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger sei kein Nationalsozialist gewesen – sagt der jetzige Ministerpräsident Günther Oettinger vor rund 700 Trauergästen. »Es gibt kein Urteil (des Marinerichters, d.A.) von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte«, meint Oettinger. Und der Jurist Filbinger sei sogar Gegner des NS-Regimes gewesen, der sich nur den Zwängen der Zeit habe beugen müssen. In der Tat: Die von Filbinger verhängten Todesstrafen wurden nicht vollstreckt. Allerdings war das nicht das Verdienst des Marinerichters, sondern dem Ende der Naziherrschaft geschuldet.

Oettinger liefert einen weiteren Beweis dafür, wie der Nationalsozialismus, je mehr Jahre vergehen, eine schleichende Relativierung erfährt. Biografien von Nazis werden als widerständisch umgeschrieben, wie jüngst in Nachrufen auch für Lothar-Günther Buchheim. Kein Wunder, dass die neue Rechte immer mehr an Akzeptanz gewinnt.

Die Baden-Württemberger sollen ja außer Hochdeutsch alles können – so auch einen Nazirichter postum zum Widerstandskämpfer krönen.