So gewollt?

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Nazikunst als Publikumsmagnet

Sept.-Okt. 2006

Im Rahmen des Schweriner Kultursommers wird im „Schleswig-Holstein-Haus“ bis zum 22. Oktober 2006 eine Ausstellung gezeigt: „Zur Diskussion gestellt: Der Bildhauer Arno Breker“. Schwerin ist Partnerstadt von Wuppertal. Dort wurde schon in den 1990er Jahren eine Breker-Austellung von der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft und ihrem Vorsitzenden Hajo John mit Unterstützung von Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentrarats der Juden in Deutschland, verhindert.

Im Begleitbuch ist zu lesen, dass die Schweriner Schau durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert wurde. Der „Spiegel“ weiß die Summe: 55.000 Euro. Welches Interesse kann das Ministerium an dieser Ausstellung haben?

Breker war Hitlers liebster Bildhauer. Im Begleitband wird beschrieben, dass er bei Hitler zu Abend aß und mit dessen „liebsten Architekten“, Speer, befreundet war. Er hat an der „Ausschmückung des neuen Berlin im Sinne Hitlers“ mitgewirkt und daran Unsummen verdient. Hitler pries ihn als „größten Bildhauer aller Zeiten“ und verlieh ihm das goldene Parteiabzeichen. Leni Riefenstahl hat im Auftrag des Führers einen monumentalen Film über den „Reichsbildhauer“ gedreht.

Diese Ausstellung war schon für 2005 geplant. Doch offenbar ist im Schweriner Ministerium jemandem aufgefallen, dass sie wohl nicht zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus passte…

Rudolf Conrades, Kurator der Ausstellung, rühmt sich, ein Tabu gebrochen zu haben: „Seit 62 Jahren hat es keine Breker-Ausstellung mehr im öffentlichen Raum gegeben.“ Wozu aber nun diese Provokation? Breker hat die Ideologie des Faschismus bewusst durch seine Kunst legitimiert: Er war der Ikonograph des Nationalsozialismus. Überdimensionale Muskelmänner, die im öffentlichen Raum aufgestellt wurden, zum Beispiel 1936 vor dem Olympiastadion in Berlin (wo sie immer noch stehen). Zur Fußballweltmeisterschaft entbrannte deshalb erneut eine heftige Diskussion. Ralph Giordano forderte in einem Aufruf zur „radikalen Säuberung“ auf. Lea Rosh wollte wenigstens die Verhüllung der Figuren des „Obernazis“. Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, bezeichnete Breker als monumentalen Dekorateur der Barbarei und forderte die Schließung der Ausstellung in Schwerin. Aus gegen die politische Geschmacklosigkeit zog er das Angebot einer eigenen Ausstellung in Schwerin für 2007 im gleichen Haus zurück. Ist Schließen die Lösung? Aber intensiv und sachgemäß diskutieren, mit der angemessenen Kenntnis des politischen Hintergrundes, ist unbedingt notwendig. Zum Beispiel über die 1941 gegründete GmbH-Werkstatt, in der Breker Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter beschäftigte. Oder: Wo ist das Modell seiner Bronzebüste „Romanichel“, ein Sinto, im Begleitbuch rassistisch „Zigeunerjunge“ genannt, geblieben? Im Begleitband steht „…er verschwand dann aber wieder.“ Wohin? Vielleicht in das Düsseldorfer Sinti- und Roma-Lager Höherweg?

Der wiederholte Hinweis, dass Breker die uneingeschränkte Gunst Hitlers genutzt habe, um verhaftete Prominente wie den Verleger Peter Suhrkamp sogar aus dem KZ zu holen, liest sich wie eine Rechtfertigung dafür, dass Breker bei seiner Entnazifizierung tatsächlich auch nur als „Mitläufer“ eingestuft wurde (Gebühr 100 Reichsmark).

Da las ich im Gästebuch: „Es wurde Zeit, Breker wieder aus dem Vergessen zu holen.“, oder: “ Mehr davon!“ Unterschrift: „Heimattreue Jugend“.

Schon nach zwei Wochen ist diese Ausstellung ein Publikumsmagnet. Dass Breker nach 1945 prompt für Kirchen gearbeitet hat, ebenso die Tatsache, dass sogar viele Prominente, wie Adenauer, Erhard, Süßmuth, Dali sich von ihm als Büste gestalten ließen, verblüfft. War dies Brekers „Wiedergutmachung“ für seine mörderische Auftragskunst, mit der er das Bild des heldenhaften „arischen“ Menschen gestaltete und dazu beitrug, das Juden, Slawen, Sinti und Roma, Behinderte als „le­bensunwerte Untermenschen“ preisgegeben wurden? Wenn diese erste „offizielle“ Ausstellung kein endgültiger Persilschein für Breker sein soll, dann muss über sie weiter öffentlich gestritten werden.