Spurensuche in Europa

geschrieben von Tinko Hempel

5. September 2013

Junge Antifaschisten erkunden Geschichte des Widerstands

Jan.-Feb. 2007

Die genaue Ausschreibung ist zu finden unter www.zivilcourage-vereint.de oder wird auf Anfrage zugeschickt:

MdB Dr. Gesine Lötzsch, Platz der Republik 1 in 11011 Berlin bzw. www.gesine.loetzsch@bundestag.de.

Zivilcourage kann vereinen – im Gegensatz zu einer gesetzten Verfassung etwa, die lediglich den nationalstaatlichen Status quo auf europäische Maßstäbe extrapoliert. Unser Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit soll ein europäisches Band knüpfen. Das war der Ansatz, als wir vor drei Jahren begannen, unser antifaschistisches Reise- und Bildungsprojekt „Zivilcourage vereint“ umzusetzen.

Alles fing mit einer Reise nach Oradour (Frankreich) an: DRAFD e.V. und Ver.di brachten aus Anlass des 60. Jahrestages des D-Days Jugendliche mit Zeitzeugen in der Normandie zusammen. die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch finanzierte damals fünf Jugendlichen die Fahrt und verhalf damit dem Projekt zu großem Erfolg. Es blieb nämlich nicht bei der Begegnung von Zeitzeugen und Jugendlichen am geschichtsträchtigen Ort – es wurde weit mehr daraus: Im Anschluss an die Fahrt konzipierten die Teilnehmer eine Fotoausstellung über dieses Treffen, die in wenigen Wochen so an Renommee gewann, dass sie bereits in Wien exponiert wurde.

Wir waren begeistert von der Idee, Jugendliche Geschichte durch Zeitzeugen und an den Orten des Geschehens erfahren zu lassen – authentisch und unverfälscht. Schnell war die Idee geboren, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung selbst eine Bildungsreise in ein europäisches Land vorzubereiten, über dessen antifaschistischen Widerstand und seine Exekutanten man wenig weiß. Belgien schien uns ein geeignetes Ziel. Die Teilnehmer ermittelten wir über einen bundesweiten Wettbewerb, an dem sich Jugendliche mit künstlerischen, antifaschistischen Beiträgen beteiligen konnten. Wir erhielten damals eine erfreulich breite Palette von Einsendungen: von komponierten Songs (heute der Titelsong unserer Homepage: www.zivilcourage-vereint.de ) über Ausstellungskonzepte bis hin zu Theaterstücken.

Bekanntlich war die parlamentarische Vertretung der PDS im Deutschen Bundestag zu dieser Zeit auf Gesine Lötzsch und Petra Pau beschränkt und es fehlte an größerer organisatorischer und finanzieller Hilfe seitens anderer Abgeordneter. Dennoch gelang uns eine eindrucksvolle Reise – auf der der wissenschaftliche Mitarbeiter schon mal zum Busfahrer wurde und uns galant durch die engen Gassen Brüssels steuerte.

In vergangenen Jahr konnten wir nun mit Hilfe anderer Abgeordnete der Linksfraktion 20 Jugendlichen eine Fahrt nach Reggio Emilia (Italien) ermöglichen. Wir fuhren unter anderem nach Marzabotto – dem Ort eines der gräulichsten Massaker deutscher Wehrmachtssoldaten an der italienischen Zivilbevölkerung- und trafen dort auf Francesco Pirini, der Augenzeuge dieser unsäglich grausamen Hinrichtung hunderter von Menschen war. Ich werde nie vergessen, wie wir uns auf einem Hügel um Francesco versammelten und er mit dünner Stimme seine Erlebnisse wiedergab. Nur das Stakkato des Übersetzers wagte seine Ausführungen zu stören. Wir vermieden jedes unnötige Geräusch – einige starrten in die Ferne, andere betroffen zu Boden. Jedes gräuliche Detail verstärkte in uns den Wunsch nach Genugtuung, wissend, dass die Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen wurden, obgleich man ihre Namen kannte. Andererseits wurden wir uns einmal mehr der Tragweite solcher Zeitzeugenberichte bewusst. Mit einem Schlag ist man Zeuge der Zeugen und trägt fortan ein Stück der historischen Last, aber auch der Verantwortung der Weitergabe des Bezeugten. Denn es kommt der Tag, an dem es uns an originären Zeugen fehlen wird, und die „Zeugen der Zeugen“ ihren Platz einnehmen müssen.

In diesen Tagen loben wir nun unseren dritten antifaschistischen Jugendwettbe-werb aus. Er steht – anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der Interbrigaden – unter dem Motto „¡No pasarán!“ und wird mit einer Reise nach Spanien prämiert. Wir hoffen erneut auf eine breite Beteiligung junger Antifaschistinnen und Antifaschisten an diesem Projekt.