Strafen wie in Hollywood

geschrieben von Tanja Girod

5. September 2013

Juli-Aug. 2010

Die elektronische Fußfessel ist bei uns eher als Begriff aus der Boulevardpresse bekannt. Lindsay Lohan, ehemaliger Kinderstar und amtierende Alkoholsünderin auf Bewährung, trägt phasenweise den Überwachungsdetektor am Fußgelenk. Damit ist sie stets unter Kontrolle der Behörden und ihre umgerechnet 167.300 Euro schwere Kaution ständig in Gefahr. Doch auch in Deutschland soll diese Form des Strafvollzugs jetzt eingeführt werden. Dann dient die Wohnung als Gefängnis. In Hessen hat man bereits ein Pilotprojekt gestartet, in Baden-Württemberg wird sie eingeführt, in Berlin noch darüber gestritten. Im Stuttgarter Landtag wurde ein vierjähriger Modellversuch beschlossen. Teilnehmen sollen 75 Gefangene, die entweder Geldstrafen nicht bezahlen können und deshalb normalerweise in Erzwingungshaft müssten, oder solche, die kurz vor der Haftentlassung stehen und an die Freiheit gewöhnt werden sollen. Die Überwachung soll durch ein Privatunternehmen gewährleistet werden. Angedacht ist diese Form des Strafvollzugs auch für Mütter, die ansonsten mit Haftverschonung rechnen könnten. Den Politikern geht es vor allem darum, die Zahl der Haftplätze und damit Kosten zu reduzieren. Weitere Gefängnisneubauten könnten auf diesem Weg verhindert werden. Bisher ist die Teilnahme am Modellversuch noch freiwillig.

Sind wir also jetzt im »Wilden Westen« angekommen? Die Gewerkschaft der Polizei verurteilt die Anwendung als eine weitere Variante der Privatisierung des Strafvollzugs und verwahrt sich auch gegen die pauschale Anwendung. Auch aus Württemberg kommen kritische Stimmen, der Generalstaatsanwalt sieht das Projekt »Schwitzen statt Sitzen« gefährdet. Im vergangenen Jahr haben 6600 Verurteilte, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten, gemeinnützige Arbeit verrichtet anstatt inhaftiert zu werden. Die Richtervereinigung beklagt zudem einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Die Kosten für den Modellversuch werden auf 85.000 Euro geschätzt. Daran muss sich der Gefangene in der Regel mit 20 Euro pro Tag beteiligen. Ein klassisches Sado-Maso-Modell. Nach meiner Vorstellung von Gemeinwohl sollte Strafvollzug grundsätzlich kostenfrei sein. Der Berliner Senat will diesmal zum Glück keine Vorreiterrolle übernehmen und beteiligt sich nicht am Modellversuchen.