Üble Nachrede?

geschrieben von Regina Girod

5. September 2013

Vom Recht auf freie Meinungsäußerung

März-April 2010

Am 1. Juli 2009 tötete der Russlanddeutsche Alex W. in einem Dresdner Gerichtssaal die Ägypterin Marwa El-Sherbini mit 18 Messerstichen. Der Fall erregte international beträchtliches Aufsehen, denn die Tat geschah aus rassistischen Motiven. Geradezu peinlich muteten die Reaktionen deutscher Medien an, die den Vorfall zunächst als unbegreifliche Gewalttat und Tragödie behandelten und erst nach und nach über die tatsächlichen Hintergründe berichteten. Wer sich nicht detailliert mit dem Fall beschäftigte, wird bis heute nicht erfahren haben, dass der erste in den Gerichtssaal stürmende Polizist nicht etwa auf den Täter schoss, sondern auf den Ehemann der ermordeten Frau, den ebenfalls aus Ägypten stammenden Genetiker Elwi Ali Okaz. Er war der einzige Ausländer im Saal, folglich hielt der Beamte ihn für den Täter. Allein das sagt viel über in unserem Land existierende Vorurteile. Doch solche Details passen einfach nicht in deutsche Medien, anders lässt sich ihr weitgehendes Verschweigen nicht deuten. Die ermordete Frau wurde in ihrer Heimat beigesetzt und gilt dort als Märtyrerin. Der Täter ist inzwischen als Mörder verurteilt worden, mit Feststellung der besonderen Schwere der Tat, und die Untersuchung gegen den auf den Falschen zielenden Polizisten wurde eingestellt. Doch die schreckliche Tat hat jetzt ein weiteres Nachspiel – mit medienpolitischer Bedeutung. Die Erlanger Medienwissenschaftlerin Dr. Sabine Schiffer kämpft vor Gericht gegen einen Strafbefehl der Erlanger Staatsanwaltschaft wegen »übler Nachrede«. 6000 Euro soll sie zahlen, weil sie in Zusammenhang mit dem Mord in einem Interview für den iranischen Sender »Stimme der Islamischen Republik Iran« über islamfeindliche Tendenzen in der BRD gesprochen hat. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, für Neonazis immer wieder von Gerichten festgestellt, gilt also nicht für »Nestbeschmutzer«? Das wäre ein fatales Signal.