Abschied vom Genie

geschrieben von Thomas Willms

11. September 2013

Die Amokläufe des Comic-Künstlers Frank Miller

Der deutschen Veröffentlichung von Frank Millers »Holy Terror« konnte der wahre Comic-Fan nur mit Grausen entgegensehen. Das Buch ist der bisherige Tiefpunkt von Millers Story-Telling. Die verdächtig an Batman erinnernde Figur des »Richters« (im Original »The Fixer«) ist so eindimensional wie die ganze Geschichte, die sich dem »Kampf gegen den Terror« widmet. Aber es ist noch viel schlimmer. Der große Künstler Miller, bewundert von Millionen Fans und dem Autor dieser Zeilen, outete sich mit »Holy Terror« zum zehnjährigen Jahrestag des 11. September als primitiver Islamhasser. Im Vergleich dazu erscheint selbst Präsident George W. Bush noch als Feingeist. Wie konnte es nur soweit kommen, dass der Retter des Superhelden-Genres, der Batman erzählerisch und zeichnerisch Tiefe, Reife und den Einzug in die sogenannte Hochkultur verschafft hat, derartig entgleist ist?

Doch man hätte es wissen können, wäre man in der Lage, Millers vorletztes Werk unvoreingenommen zu lesen. Für »300« wählte Miller ausgerechnet den Durchhaltemythos der 300 Spartiaten als Thema. Er wandelt damit auf dem Pfad, den schon viele Kriegsverherrlicher gegangen sind, Nazi-Autoren eingeschlossen. »300« ist im Gegensatz zu »Holy Terror« ohne Zweifel ein grafisches Meisterwerk: bildgewaltig, expressiv, dynamisch, überwältigend, unvergesslich. Die Verfilmung übertrumpfte die Vorlage mit ihrer Zeichnung und Realfilm vermischenden ultramodernen Technik sogar noch. Es gibt leider nur ein Problem: Die Aussagen sind der letzte Dreck.

Inhaltlich radikalisiert Miller das Thema auf eine Art und Weise, dass man von einem ideologischen Amoklauf sprechen muss. Die Spartaner, er meint die das antike Sparta beherrschende Sklavenhalterkaste der Spartiaten, erscheinen bei ihm als heterosexuelle Meister des Tötens, die buchstäblich Berge von Leichen produzieren. Sie stemmen sich gegen eine »Flut« von aus dem Osten heranbrausenden Persern. Diese erscheinen als feige Orientalen, ihr König Xerxes als degenerierter Schwuler. Miller stellt nicht nur die Geschichte auf den Kopf – in der griechischen Antike war Homosexualität die gesellschaftlich höher angesehene Form der Liebe und wurde insbesondere in Kriegerkasten kultisch betrieben – sondern widerspricht sich auch noch selbst. Seine Bilder erzeugen nämlich mit fantastischen halbnackten Männern eine dampfende Homoerotik, die den Text Lügen straft. Besiegt werden die Spartaner nur durch Verrat, wobei Miller aus dem Verräter auch noch einen Krüppel macht, den als Baby besser die Wölfe gefressen hätten. Antidemokratisch, führerverherrlichend, sexistisch, homophob, euthanasiebefürwortend, rassistisch, sadistisch, gewalt- und kriegsverherrlichend, maßlos selbstgerecht und größenwahnsinnig – das sind die Attribute aus dem Ideologiekomplex des Faschismus, die man auf dieses Machwerk anwenden kann und muss. Hinzu kommt eine alles überlagernde Todesgeilheit, so dass man dem Autor wirklich zu einem Arztbesuch raten muss. Der Umschlag ins direkt Politische ist mittlerweile erfolgt. Die rassistische »identitäre Bewegung« hat sich als Logo ein Motiv aus »300« gewählt und veranstaltet »Spartaner«-Aufläufe für ihre Werbevideos.

Von Miller muss man also wohl Abschied nehmen, vielleicht auch frühere Werke anders und kritischer lesen. Dabei hilft ein von Hollywood produziertes Gegengift, die Persiflage »Meine Frau, die Spartaner und ich«. Kräftig lachen über den Ruhm und Ehre-Unsinn – das sei allen Miller-Fans empfohlen.