Neoliberalismus brutal
18. November 2013
Ein nützliches Handbuch des Rechtspopulismus
Was ist der moderne Rechtspopulismus? Worin besteht seine Charakteristik? Gibt es eine solche überhaupt oder ist der Rechtspopulismus von Land zu Land unterschiedlich ausgeprägt?
Philip Becher bietet den Leserinnen und Lesern seines Buches eine Reihe möglicher Antworten auf diese Fragen. Wesentlich ist die Unterscheidung in Inhalt und Form. Gibt es typische Inhalte rechtspopulistischer Politik oder handelt es sich lediglich um einen Inszenierungs- und Agitationsstil bzw. eine spezielle Form der Politikansprache ? Becher tendiert im Verlaufe der Analyse – ebenso wie ich – zu der Auffassung, dass bestimmte veränderte politische Rahmenbedingungen und die Etablierung des Neoliberalismus zur Entstehung und zum Aufschwung des Rechtspopulismus in Europa beigetragen haben . Die neoliberale Formierung der europäischen Gesellschaften und die – insbesondere durch das Ausbrechen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise – verschärfte soziale Ungleichheit bedingen das Aufkommen des modernen europäischen Rechtspopulismus. Rechtspopulismus wird dann zu einer politischen Bewegung, die auf der ideologischen Grundlage der Adaption neoliberaler wirtschaftspolitischer Vorstellungen und einem gesellschaftspolitischen Antiliberalismus fußt. Klingt paradox, ist aber politisch einfach umzusetzen. Sozial-ökonomischer Darwinismus wird mit kulturellen Codes wie dem Ethnopluralismus, Antiislamismus und dem Kulturrelativismus verknüpft. Politische Folge des Ethnopluralismus und Kulturrelativismus ist eine fundamentale EU-Kritik, Kritik am Euro, Kritik an der europäischen Integration. Diesen Euroskeptizismus – dieser Begriff sei hier als Sammelbegriff verwendet – teilen alle rechtspopulistischen Parteien. Es gibt also neben der in ihrem Kern antidemokratischen Inszenierung als den Volksinteressen dienenden Massenbewegung, der häufig charismatische Führungspersonen vorstehen, sehr wohl ein politisch-inhaltliches Fundament des europäischen Rechtspopulismus.
Der einzige, dem Rezensenten aufgefallene Mangel des Buches von Phillip Becher besteht darin, die unglaubliche Dynamik des europäischen Rechtspopulismus nicht aufzeigen zu können. Die vor Jahren noch undenkbaren Erfolge dieser Parteien im Zuge des rasanten neoliberal geprägten Umbaus in Europa führen zu nahezu abenteuerlichen Siegen dieser Parteien in Wahlen (bzw. Spitzenwerte in Umfragen). Siehe Österreich, siehe Schweiz, siehe Frankreich, siehe Finnland, siehe die Niederlande, siehe Ungarn.