Wieder Setzen! Nazis blockieren!

geschrieben von Markus Tervooren

27. Januar 2014

Am 13. Februar 2014 in Dresden und am 18. Januar in Magdeburg

 

War Dresden am 13. Februar noch vor wenigen Jahren ein Synonym für Deutschlands und Europas größte regelmäßige Neonaziaufmärsche, Geschichtsvergessenheit, deutsches Selbstmitleid und Schuldabwehr, hat sich dies dank der Kampagne des Bündnisses Nazifrei! – Dresden stellt sich quer und alljährlich zehntausender Blockiererinnen, mittlerweile entscheidend geändert. Der größte Naziaufmarsch Deutschlands ist seit drei Jahren Geschichte, dank, zivilem Ungehorsam, zielgerichteten Regelverletzungen, also Massenblockaden. Was ist schon eine kollektive »Ordnungswidrigkeit« gegen den Aufmarsch des 5000 köpfigen NSU-Fanclubs? Die Stadt hat seitdem einen Exportschlager – entschlossene Zivilcourage gegen rechts. Das fand übrigens auch die österreichische SPÖ – bei einem Besuch der Landtagsfraktion der sächsischen SPD stand der Wunsch nach einem Treffen mit Dresden Nazifrei auf der Wunschliste der SPÖ-Delegation.

dresden

Auch das allzu einträchtige Gedenken von NPD bis SPD, von Volksbund deutsche Kriegsgräber Fürsorge bis Bundeswehr an die Bombenopfer des 13. Februar 1945 auf dem Heidefriedhof gehört jetzt der Vergangenheit an, zumindest Neonazis wird der Zutritt verwehrt. Diese Veranstaltung war genauso wie das »stille Gedenken« an der Frauenkirche, seit den 90iger Jahre ein willkommener Anknüpfungspunkt für die größer werdenden Neo-naziaufmärsche. Die revanchistischen Thesen der Neonazis vom »alliierten Bombenterror« bis zum »Bombenholocaust« störten damals die Dresdener Stadtgesellschaft weniger, als die Kritik und die Kritikerinnen am Mythos von der »unschuldigen Stadt«, um deren Tote man in Ruhe trauern wolle. Aber: vor Dresden gab es Oradour, Lidice, Zamosc, Leningrad und Distomo, Treblinka, Majdanek und – Auschwitz.

Doch die die Neonazis lassen nicht locker. Zwar scheinen sie den überregionalen Aufmarsch am Wochenende aufgegeben zu haben, am historischen Datum, also am Donnerstag, dem 13. Februar 2014, wollen sie es doch noch einmal wagen. Dem Vernehmen nach hat der Dresdener Neonazikader -Maik Müller den Demonstrationsversuch angemeldet. Mensch darf also gespannt sein. Schon letztes Jahr hatte der Dresdener Polizeichef Kroll verkündet: »Wir werden für Neonazis nicht kämpfen« und »3000 Menschen kann man nicht wegtragen«.

Außer dem notwendigen »Wieder Setzen« gibt es auch weiterer gute Gründe im Februar nach Dresden zukommen. Seit mehreren Jahren greift das Bündnis Dresden Nazifrei mit dem Mahngang Täterspuren aktiv in den Erinnerungsdiskurs der Stadtgesellschaft ein. Dem Gedenken an »unsere Toten« wird die Dresdener Vorgeschichte im NS vorangestellt. Am 13. Februar 2014 wird der Mahngang gegen 13.00 Uhr am Volkshaus am Schützenplatz starten und an verschiedenen Stationen an die Dresdener NS-Täter erinnern: z.B. an den Überfall auf das Gewerkschaftshaus, die Vertreibung der »Nichtarier« aus den Universitäten und an die Verwalter und Profiteure von Zwangsarbeit. Auch von den NS-Tätern werden sicher einige unter den Toten des 13. Februar 2014 gewesen sein. Eingeladen zu dem Rundgang sind natürlich auch all jene Dresdner und Dresdnerinnen, die seit Jahren mit einer Menschenkette gegen den Neonaziaufmarsch protestierten und auch die Blockaden gegen den Naziaufmarsch verstärkt haben. Das Bündnis Dresden Nazifrei hat übrigens die Initiatorin der Menschenkette, Oberbürgermeisterin Helma Orosz zu einem Gespräch eingeladen.

Und nicht zuletzt ist der 13. Februar 2014 eine Gelegenheit, Solidarität mit all jenen zu üben, die von den sächsischen Ermittlungs- und Justizbehörden bedrängt werden.

Die Dresdener hätten die Proteste satt, bemerkte ein Dresdener Richter, bevor er Tim H. zu 21 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte. Tim soll mit einem Megaphon Proteste angeführt haben. Der Hauptbelastungszeuge konnte dies allerdings nicht bestätigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, 2014 geht es in die nächste Runde. Bei dem Prozess gegen den Jenaer Pfarrer Lothar König, er sollte genau wie Tim als Rädelsführer der Blockaden aufgebaut und abgeurteilt werden, tauchten zahlreiche entlastende Beweismittel erst während des Prozesses auf, zuvor waren sie von der Staatsanwaltschaft unterdrückt worden. Statt den Pfarrer freizusprechen, wurde der Prozess bis jetzt nur unterbrochen. Darüber hinaus laufen noch immer Verfahren und Ermittlungen gegen hundert weitere Antifaschisten.

Doch zahlreiche Freisprüche und Verfahrenseinstellungen bei den »Blockadeprozessen«, zeigen, dass die von der Extremismusdoktrin gespeiste Verfolgungs- und Anklagewut selbst in Sachsen nicht zu den gewünschten Verurteilungen und auch nicht zu dem erwünschen Abschreckungseffekt führten. Das demonstrieren die zahlreichen Menschen in Dresden, die sich immer wieder den Neonazis in den Weg stellen. »Kommt nach vorne!«: Für diesen Spruch soll Tim H. eingesperrt werden, »Kommt nach vorne – wieder setzen« heißt es am 13. Februar 2014 in Dresden.