Nicht nur für Anfänger
10. März 2014
Gerd Fesser sorgt für wichtiges Basiswissen
Die Forschungen über den Krieg der Jahre von 1914 bis 1918 haben an Tiefgang und Breite in den beiden letzten Jahrzehnten dermaßen zugenommen, dass es nicht verwundert, wenn dickleibige Bücher erscheinen, deren Autoren dieses Wissen mit dem Blick auf den 100. Jahrestag zusammenzufassen suchen. Auch dann noch muss manches arg komprimiert und anderes weggelassen werden. Denn die Forschungen erstrecken sich inzwischen auf den lange vernachlässigten Kriegsalltag an den Fronten und in der Heimat, auf das kulturelle Geschehen im Kriege und die Rolle von Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern, der Kirchen und Pastoren, ja sie reichen selbst zu den Tieren, Pferden und deren Verwandten zumal, die im Ersten Weltkrieg massenhaft mobilisiert, geschunden, unterernährt wie die Menschen und gleich diesen von Granaten zerfetzt wurden.
Wenn sich jemand angesichts dieses Befundes von einem Verlag bewegen lässt, in einer rasch an Zahl zunehmenden Reihe, die sich Basiswissen nennt, einen Überblick über diesen Krieg zu schreiben und wenn ihm das dann auch noch gelingt, lautet das erste an den Verfasser gerichtete Wort: Chapeau! Mädchen und Jungen höherer Schulklassen, aber auch Studenten, die sich im Jahr, in dem des Kriegsbeginns vor einem Jahrhundert gedacht wird, mit Sicherheit vermehrt diesem Geschehen werden zuwenden müssen, könnten ihm das vor allem danken. Insbesondere womöglich jene, die sich mit ihren Lehrern vorbereiten, eine Reise an Orte anzutreten, in oder bei denen die Schlachten in Frankreich und Belgien tobten und an die riesige Friedhofsfelder erinnern. Denn es macht einen Unterschied, ob über dieses Massenmorden in einem Schulraum in Brandenburg oder Oldenburg gesprochen wird oder am Rande des Gräberfeldes von Verdun oder vor jenem Denkmal, das Käthe Kollwitz für den deutschen Soldatenfriedhof in Belgien schuf, auf dem auch der Leichnam ihres Sohnes bestattet wurde.
Gerd Fesser hat seine Darstellung in 23 Abschnitte gegliedert. Der längste befasst sich mit der Rivalität der imperialistischen Großmächte am Vorabend des Krieges. In mehreren wird der Kriegsverlauf an den Fronten geschildert. Präzise und nahezu lexikalisch werden die einander dicht folgenden Ereignisse aufgezählt. Zusammenhänge gehen darüber weder verloren noch werden sie vereinfacht. Befolgt wird der Grundsatz, den Tucholsky guten Rednern empfahl: Hauptsätze! Hauptsätze! Andere Abschnitte gelten der Kriegszieldebatte, der Kriegswirtschaft, dem Kriegsalltag. Gedrängt und aufschlussreich auch am Ende die nahezu fünf Seiten füllenden Literaturhinweise.
Gibt es an diesem kleinen Werk gar nichts auszusetzen? Im abschließenden Abschnitt ist von der Geschichte der Historiographie die Rede. Das führt unvermeidlich zur aktuellen Debatte um die Thesen, die in dem in Deutschland 2013 zum Bestseller hochjubelten Buch von Christopher Clark vertreten werden. Die letzte Seite ist dem zugewandt. Fesser überlässt die Parteinahme seinen Lesern. Denen sei die noch immer solideste Kritik am Konstrukt von der gleichen Schuld aller Staaten empfohlen, die des Autors »Zeit«-Kollege Volker Ulrich schrieb.